Als die Saison 2016 mit dem Super Bowl-Triumph der New England Patriots zu Ende ging, war ich traurig, dass nun wieder die monatelange Zeit ohne NFL anbricht. An die Jacksonville Jaguars habe ich dabei aber ehrlich gesagt keine einzige Sekunde gedacht. Die waren mir egal.
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Insgesamt nur 17 Siege bei 63 Pleiten zwischen September 2012 bis Dezember 2016. Das letzte Mal in den Playoffs 2007. Wer soll denn so ein Team anhimmeln? Der HSV oder der 1. FC Kaiserslautern haben ja zumindest vor vielen Jahrzehnten mal Titel geholt…
Am 12. Juni hatten wir den Vorsitzenden des deutschen Jacksonville Jaguars-Fanclubs in der Footballerei zu Gast (hier könnt ihr noch mal reinhören). Ja, es gibt einen deutschen Fan-Club! Als „Ober-Jaguar“ Moritz Dorfmüller aus Augsburg erzählte, was in diesem Fanclub so abgeht und was alles organisiert wird, dachte ich: ‚Cool. Nur schade, dass ihr so wenige seid.’ Die „Jaguars Fans Germany“ hatten damals 40 Mitglieder. Weitaus größer war wahrscheinlich das Mitleid von Fans erfolgreicherer Teams wie den Patriots, Seahawks, Packers oder Steelers. Schließlich waren die Jaguars gemeinsam mit den Cleveland Browns lange das Gespött der Liga.
Aber: Während die Browns weiter völlig erfolglos sind, machen die Jacksonville Jaguars plötzlich Spaß.
Die Jaguars haben sich gute Spieler gekrallt
Das deutete sich schon nach der Free Agents-Phase und dem Draft im vergangenen Frühjahr an. Die Jaguars haben auf dem „Transfermarkt“ und bei der Auswahl der besten College-Spieler sehr durchdacht zugeschlagen. Ihre ohnehin schon ansehnliche Defense weiter punktuell verstärkt und die flügellahme Offense mit einem bärenstarken Running Back aufgewertet. Trotz Blake Bortles. Der ist immer noch da. Dieser seit Jahren völlig unter seinen Möglichkeiten spielende Quarterback. Dieser Spielmacher, der einem zur Weißglut treiben kann. Selbst wenn man nicht mit den Jaguars sympathisiert…
Aber sogar der wächst plötzlich über sich hinaus. Im London-Spiel am vergangenen Wochenende gegen Baltimore warf Bortles sage und schreibe 4 (!) Touchdowns. Und leistete sich ausnahmsweise mal nicht einen Pass in gegnerische Finger oder einen Fumble. Die Jaguars überrollten die geschockten Ravens mit 44:7.
Moritz Dorfmüller („Als es zwischenzeitig 30:0 stand, habe dann auch ich langsam mal an den Sieg geglaubt“) war in London live dabei. „Im 3. Jahr in Folge. Und die Jaguars haben dabei immer gewonnen. Mittlerweile kenne ich auch viele Jacksonville-Fans aus UK und den USA. Das ist wie alte Freunde treffen. An diesen Wochenenden ist immer viel für uns organisiert.“
Weil ich in einer unserer letzten Sendungen gesagt habe, dass die Jacksonville Jaguars meiner Meinung nach eine bessere Saison spielen, als wir es von ihnen gewohnt sind, gelte ich als Fan dieses Teams. Und wisst ihr was: Ich bin es auch! Die Mannen von Headcoach Doug Marrone sind mir nicht mehr schnuppe. Plötzlich fiebere ich ernsthaft mit ihnen mit und freue mich, wenn sie gewinnen.
Ja, ich bin jetzt auch ein Bandwagon-Fan. Was einzig und allein daran liegt, dass die Jacksonville Jaguars jetzt auch mal Spiele gewinnen. Ich bin also ein Erfolgs-Fan. Das erste Mal in meinem Leben.
Und das hat gute Gründe
# Mit Calais Campbell haben sie laut unserem Stolle „den besten Free Agent seit 20 Jahren verpflichtet“. Der Defense-Veteran (seit 2008 in der Liga, zuvor Arizona Cardinals) bringt endlich Erfahrung in diese junge Defense – und Leistung! Campbells „Arbeitsnachweis“ nach drei Spieltagen: U. a. schon 4,5 Sacks und einen Forced Fumble. Dank ihm verbreiten die Jaguars bei den Gegnern endlich mal wieder Angst und Schrecken.
# Mit Tom Coughlin haben sie sich ein NFL-Urgestein zurückgeholt. Der 71-Jährige ist mit allen Wassern gewaschen. Der Typ hat Ahnung. Er hat als Trainer u. a. zwei Mal mit den New York Giants den Super Bowl geholt. Bei den Jaguars lautet sein Titel „Executive Vice President of Football Operations“. Seine Expertise hilft dem Klub bei der Kader-Zusammenstellung enorm.
# Mit Leonard Fournette haben sich die Jaguars im Draft einen der besten Running Backs vom College geholt. Der war ihnen ihr First Round Pick an insgesamt 4. Stelle wert. Und: Fournette liefert! Der Rookie ist bereits nach nur drei Spieltagen zu einer Säule im Angriffsspiel geworden und hat bislang in jeder Partie einen Touchdown erzielt. Einen Leistungsträger in der Offense hatten die Jaguars gefühlt seit Maurice Jones-Drew (bis 2013) nicht mehr…
# Mit A.J. Bouye und Jalen Ramsey verfügt Jacksonville über ein ligaweites Top 5 Cornerback-Tandem. Bouye kam neu von den Houston Texans, Ramsey wurde im Draft 2016 in der 1. Runde gezogen. Gegen Baltimore fingen beide jeweils eine Interception.
# Mit Team-Besitzer Shahid Khan haben die Jacksonville Jaguars einen Gönner als Besitzer, der nicht nur aufs Geld guckt. Auch der gebürtige Pakistani will Erfolg. Vor allem sportlichen Erfolg. Der milliardenschwere Unternehmer ist nah dran am Team. Sein Traum ist es, die Jaguars aus der Tristesse zu führen.
„Ich habe vor der Saison mit einer Bilanz von 3 Siegen und 13 Niederlagen gerechnet“, sagt Dorfmüller. „Unsere Defense gehört aber mittlerweile zu den fünf Besten der Liga. Ich glaube, sie beenden die Spielzeit mit 8:8 Siegen und Platz 2 in ihrer Gruppe.“
Die Jaguars spielen in der AFC South. Der vermeintlich leichtesten Division in der NFL. Sonntag müssen sie bei den New York Jets ran. Ein Team, das Jacksonville schlagen MUSS, wenn man endlich ambitionierter werden will. Wahrscheinlich wird es Bortles verkacken…
Foto-Quelle: Instagram