Im ersten Teil dieses keck-sportiven Offenbarungseids habe ich euch letzte Woche meinen bisherigen Leidensweg als langjähriger Fan der Browns geschildert und warum ich dieses Team trotzdem (oder gerade deshalb?) so dolle mag.

Ich werfe nun aus der Sicht eines nach so etwas wie ‚Erfolg‘ lechzenden Fans einen Blick auf die restlichen Picks der Cleveland Browns. Und das große Ganze. Wird es dieses Jahr endlich den langersehnten Schritt in eine goldene Zukunft geben – oder haben sich die Verantwortlichen einmal mehr ins Knie geschossen?


Hallo Herr Kizer!

Stell dir vor, die erste Runde des NFL Drafts ist durch – und die Browns haben keinen QB gezogen. Klingt wie ein mieser Treppenwitz oder die abstruse Utopie aus einer anderen Galaxie. Ist im Jahr 2017 aber überraschende Wirklichkeit geworden. Unvorstellbar, aber wahr: Die Browns beschreiten plötzlich den Pfad der Logik und haben sich als 1st Overall-Pick doch tatsächlich den vermeintlich besten Spieler des Jahrgangs geholt.

Auch die restlichen Picks der 1. Runde waren erschreckend vernünftig: Einen Safety für die peinlich-poröse Passverteidigung, und einen TE als dringend benötige Option im Luftangriff. Moment! Warum haben die Browns dann eigentlich nicht gleich einen WR gezogen? Ach, egal. Jedenfalls haben sie sowohl Watson als auch Mahomes verschmäht. Das ist nach den QB-Kapriolen der letzten Jahre schon erstaunlich.

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Als die Browns an 52 an der Reihe sind, ist DeShone Kizer fällig. Eine gute Wahl. Ich bin zufrieden. Zum ersten Mal seit Menschengedenken haben die Browns abgewartet. Zum ersten Mal waren sie geduldig. Dieser Herr Kizer kam auf natürliche Weise zu ihnen. Das gefällt mir.

Besonders auch deshalb, weil die Browns mit dem Geschachere um Draft-Pick Nummer 12 einen 1st Rounder für den Draft 2018 ergattert haben. Da freue ich mich jetzt schon wie ein paniertes Schnitzel drauf. Andererseits ist das ein Beleg dafür, dass das Team noch immer im Umbruch ist und wohl erst in zwei Jahren konkurrenzfähig sein wird. Hm.


Starten oder warten?

Kizer könnte endlich der QB-Glücksgriff sein, den sie seit Jahren – vielmehr Jahrzehnten – herbeisehnen. Mit seiner Statur und seinem derben Kanonenarm passt er in die AFC North wie Arsch auf Eimer. Allerdings muss der gute DeShone noch viel lernen. Er braucht eigentlich ein oder zwei Jahre mit einem erfahrenen QB, der ihm zeigt, wo der Frosch in der NFL die Locken hat. Einen Lehrmeister. Einen Mentor.

Und genau da liegt das Problem, liebe Sportsfreunde. Denn die Browns haben keinen Brady, keinen Rodgers, keinen Rivers, keinen Luck. Wir haben Brock Osweiler. Ja genau. Von dem soll Kizer lernen? Bitch please. Da könnten sie gleich Brandon Weeden aus der Versenkung holen.

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Weiterer Knackpunkt: Obwohl Kizer wohl noch ein paar Jährchen QB-Ausbildung braucht, hat Coach Jackson bereits kokett angekündigt, dass dieser in der Preseason doch tatsächlich sofort um den Job als Starter spielen wird. Gut, einerseits muss er den Jungen motivieren – andererseits haben die Browns doch schon mehr als genug Talente auf diese Weise verbrannt.

Ich wünsche mir natürlich, dass Kizer sowas wie der Dak Prescott des kleinen Mannes wird. Aber ich habe auch Angst, dass er zu früh ins NFL-Fegefeuer geworfen und dann schneller Interceptions werfen wird als Johnny Football in seiner Stammkneipe die nächste Runde bestellen kann.


Von Schlägern und Krähen

Und sonst? Haben die Browns mit DT Larry Ogunjobi einen guten Griff getan. Er könnte mit seinen Qualitäten helfen, mal sowas wie Druck auf den gegnerischen Spielmacher auszuüben. Ach ja: Und die Browns wären natürlich nicht die Browns, würden sie nicht einen jungen Menschen mit Problemen abseits des Spielfelds in die heimische Hütte holen. Dieses Jahr ist das Caleb Brantley, ebenfalls ein Defensive Tackle.

Der hat laut einem Polizeibericht einer Frau im Streit ins Gesicht und sie damit bewusstlos geschlagen. Oder wie Ray Rice es nennen würde: Fahrstuhl-Entertainment. Sollte der gute Caleb sich auch weiterhin wie ein asozialer Schlägertyp benehmen, verlieren die Browns jedenfalls nicht viel, wenn sie ihn wieder rausschmeißen. Brantley dürfte jedoch voll motiviert ins Trainingscamp gehen, weil er wissen sollte, dass er ohne die Browns wohl niemals in der NFL spielen wird.

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Fällt euch was auf? Kein Running Back! Cleveland hat keinen RB gepickt. Also, fast – erst in Runde 7. Matt Dayes ist damit unser Herr Unwichtig! Glückwunsch, Junge. Er wurde auch nur einen Platz vor dem echten Mr. Irrelevant gezogen. Das bedeutet, dass die Browns-Bosse auf Isaiah Crowell und Duke Johnson als Running Backs setzen.

Die beiden sollten in der kommenden Saison abliefern. Mir gefällt das dynamische Duo mit dem quirligen Duke und dem geradlinig durchbrechenden Crow im Prinzip ja durchaus – hoffentlich können die beiden die Erwartungen diesmal erfüllen. Zane Gonzalez wurde übrigens als Kicker in Runde 7 gezogen. Er soll dafür sorgen, dass die Browns enge Spiele nicht durch vergeigte Field Goals verlieren.

Merkt ihr was? Ich gehe davon aus, dass die Browns enge Spiele haben werden! Mit anderen Worten…


Die Hoffnung stirbt zuletzt

So. Jetzt kann die nächste Saison kommen. Zumindest habe ich das Gefühl, dass sich das Team hinsichtlich der Neuzugänge mit Verstand verstärkt hat. Wenn Myles Garett wirklich das Pro Bowl-Monster wird, gibt es endlich mal Druck auf den QB des Gegners. Im Rückraum dürften die Löcher dank Jabrill Peppers allmählich gestopft werden, vor allem, wenn Joe Haden wieder zu seiner alten Form zurück finden sollte. Ja, ich weiß. Die Betonung liegt auf ’sollte’…

Nur das Passspiel bereitet mir noch Kopfschmerzen. Neben Coleman, der bislang die Erwartungen noch nicht erfüllen konnte, ist jetzt Kenny Britt mit am Start. Kein schlechter WR, aber auch keiner, vor dem gegnerische Cornerbacks mit den Knien schlottern. Zudem fehlt noch ein brauchbarer Slot Receiver.

Das könnte TE-Neuzugang David Njoku auf der zweiten Lohnsteuerkarte erledigen. Im College jedenfalls hat er die Position schon gespielt. Ist aber keine Dauerlösung. Es fehlt auch in der WR-Gruppe ein echter Veteran, der die jungen Spieler anführt. Eventuell schnappen sich die Browns ja Latino-Tanztalent Victor Cruz oder Anquan Boldin. Ein Brecher, der dahin geht, wo es wehtut. Auch Eric Decker ist im Gespräch, hat aber derbe Verletzungsprobleme.

Mal sehen.

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Ich garantiere: Die Browns werden 2017 mehr als ein Spiel gewinnen. Sie werden sogar vor den Baltimore Ravens landen! Das wäre dann schon mal ein guter Start in eine schönere Zukunft. Mit einem exquisiten Quarterback. Und einer starken Receiver-Truppe. Und einer derben Defense. Und den Playoffs… und… ach, wen versuche ich hier eigentlich zu verarschen?

Ich wär ja schon froh, wenn die Browns am Ende der Saison mal wieder bei 50% gewonnenen Spielen landen. Wenn sie mal nicht die Lachnummer der Liga wären…

So sind wir Brown-Fans: extrem leidensfähig und mit wenig zufrieden zu stellen. Mit sehr wenig.

Wer braucht da schon Dynastien und Super Bowl-Ringe? Wir bellen gemeinsam. GO BROWNS!

Euer Jens.

 

Foto-Quelle: Instagram

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