„Lauf, Forrest! Lauf!“ Schon Regisseur Robert Zemeckis und Hollywood-Star Tom Hanks wussten, dass ein gutes Laufspiel überlebenswichtig sein und einen Mann echt weit bringen kann. Und nach einigen Jahren, in denen NFL-Teams diese Tatsache ignoriert hatten, gewinnt die Position des Running Backs mehr und mehr wieder an Bedeutung.
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Dank Todd Gurley vor zwei Jahren und Zeke Elliott im vergangenen Jahr sind Running Backs gefragt wie schon lange nicht mehr im Draft. Und der aktuelle Talent-Pool der Colleges, ist überfüllt mit potenziellen Arbeitspferden. Aber auch der Free-Agent-Markt wartet mit einigen Leckerbissen auf: Denn seit Dienstagabend tummeln sich neben Eddie Lacy oder LeGarrette Blount auch Jamaal Charles und Adrian Peterson auf dem Arbeitsamt rum.
7. These: Peterson wird ein Raider – Blount wechselt zum „Erzfeind“
Doch wo werden die Vier am Ende landen? Dass so viele talentierte Running Backs aus den Colleges nachrücken, drückt für alle vier Free Agents nicht nur den Preis, den sie aufrufen können, sondern verkleinert zugleich die Anzahl der interessierten Teams. Schließlich hat Frischfleisch in der NFL höchste Priorität. Und keiner der vier besten verfügbaren Laufwunder kommt ohne seinen eigenen Problemrucksack daher.
Dennoch ist stark davon auszugehen, dass Peterson, Charles, Lacy und Blount relativ schnell wieder vom Markt verschwunden sein werden. Ich hab mal wieder die Glaskugel aus dem Keller geholt und verrate euch, welche Teams ich als die wahrscheinlichsten neuen (oder alten) Arbeitgeber dieses Quartetts sehe.
Adrian Peterson (31 – zuletzt Minnesota Vikings)
Steckbrief: AP ist einer der besten Running Backs aller Zeiten. Mit 11.747 Yards steht er aktuell auf Rang 16 der ewigen Bestenliste. Ihm fehlen nicht einmal 1.000 Yards zu Platz 9. Seit seiner Rookie-Saison 2007 purzelten bei ihm die Rekorde wie Dominosteine. Unvergessen bleibt vor allem das Jahr 2012, als er nach einem Kreuzbandriss zurückkehrte und eine historische Saison spielte. 2.097 Yards erzielte er damals.
Ausgangsposition: Im zweiten Spiel der vergangenen Saison verletzte sich Peterson am rechten Knie. Sein Meniskus musste operiert werden. Er feierte zwar kurz vor Saisonende sein Comeback, kam aber im vergangenen Jahr auf nur 72 Yards bei 37 Läufen. Die große Frage um AP ist nicht, ob er noch einmal so zurückkehren kann wie 2012, sondern ob er überhaupt noch die Fähigkeiten und den Antritt vergangener Tage besitzt.
Neue Heimat: „All Day“ genießt absoluten Superstar-Status und kann daher auch mit der Idee kokettieren, nur für ein potenzielles Meisterschaftsteam antreten zu wollen. Und da stehen sicher einige zur Auswahl. Drei davon klingen für mich am logischsten. Doch „Buyer beware“: Peterson spielt am liebsten aus der I-Formation. Über 90 Prozent der Spielzüge, in denen Peterson auf dem Feld stand, fanden mit dem Quarterback „under Center“ statt. Er ist nicht fürs Passspiel gemacht. Und das in einer Liga, in der der Pass Trumpf ist.
Schon seit Wochen verteilt Peterson (oder sein Agent) virtuelle Streicheleinheiten für die New York Giants. Und die suchen dringend einen Running Back. Allerdings müssten sie entweder ihre Offense umstellen oder sie glauben, Peterson könne noch lernen. Denn die Giants spielen am liebsten aus der Shotgun-Formation mit drei Receivern und ohne Fullback.
Auch der Name Green Bay Packers wird häufig genannt. Es wäre quasi das umgedrehte Brett-Favre-Spiel. NFL-Legende wird von „seinem“ Team zum Teufel gejagt, schwört ewige Rache und kommt mit Erzfeind überein. Hat bei Favre für ein Jahr funktioniert. Warum sollte das nicht auch bei Peterson klappen. Die Packers haben Bedarf auf der Position – selbst wenn Lacy bleiben sollte. Denn je weniger Peterson schuften muss, desto länger seine Haltbarkeitsdauer (siehe Julius Peppers).
Drittes Team auf meinem Zettel sind die Oakland Raiders. Allem Anschein nach lassen die Raiders Latavius Murray den Markt testen. Nach einer durchwachsenen Saison mit zwar 12 TDs aber nur 788 Yards und dank der ansprechenden Leistungen der Youngster Jalen Richard (491 Yds/5,9 im Schnitt) und DeAndre Washington (467 Yds/5,4 im Schnitt) sind die Raiders sicher nicht bereit, Murray die Taschen zu füllen. Peterson wäre für einen akzeptablen Preis zu haben, würde auch hier für einen potentiellen Titelkandidaten spielen und müsste dank Richard und Washington nicht den Karren allein ziehen.
Weitere mögliche Kandidaten: Tampa Bay (sollten sie Doug Martin entlassen), New England (sollten sie Blount nicht zurückholen), Denver und Dallas.
Jamaal Charles (30 – zuletzt Kansas City Chiefs)
Steckbrief: Charles‘ Karriere begann im Schatten von Larry Johnson. Erst nachdem der Star Running Back der Chiefs 2009 suspendiert wurde, kam, sah und siegte Charles. Mit 7.260 Yards (5,5 Yds/Lauf) ist er der beste Läufer in der Historie der Häuptlinge.
Ausgangsposition: Die goldenen Zeiten des Mr. Charles liegen ein wenig zurück. Schließlich stand er in den vergangenen beiden Spielzeiten in nur acht Spielen auf dem Feld. 2016 kam er gar nur auf 12 Läufe für 40 Yards und einen TD. Doch eigentlich hätte er gar nicht spielen sollen. Denn nach einem Kreuzbandriss 2015 (der zweite nach 2011) spielte er trotz Knieproblemen. Schlussendlich musste er nochmal unters Messer.
Neue Heimat: Charles ist endlich wieder gesund. Dennoch werden zwei verletzungsgeplagte Jahre hintereinander viele Zweifler auf den Plan bringen. Nüchtern betrachtet bringt Charles aber sogar mehr „Knowhow“ mit als AP, denn er ist auch ein hervorragender Receiver aus dem Backfield (285 Catches).
Ganz einfach logisch klingt eine Partnerschaft zwischen Charles und den Philadelphia Eagles. Head Coach Doug Pederson war Offensive Coordinator von Charles in Kansas City, bevor er vor einem Jahr in die Stadt der brüderlichen Liebe ging. Zwar hatten die Eagles 2016 die elftmeisten Rushing Yards (1.813), doch ihnen fehlt der Punch. Ryan Mathews kämpft häufiger mit Verletzungen als mit Linebackern und Darren Sproles ist und bleibt eine Geheimwaffe.
Wie wäre es mit einer Anstellung bei den Baltimore Ravens? Seit dem unrühmlichen Abgang von Ray Rice suchen die Ravens nach einer Antwort auf der Position des Running Backs. 2016 waren die Raben das fünftschwächste Lauf-Team der NFL (1.463 Yds). Charles ist etwas beweglicher als Rice und hat dafür vielleicht etwas weniger „Bumms“, aber beide sind neben ihren unbestrittenen Fähigkeiten als Läufer eben auch Top-Ballfänger.
Dritter Kandidat sind für mich die New Orleans Saints. Mark Ingram knackte zwar erstmals in seiner Karriere die magische Marke (1.043 Yds), ist aber keine echte Nummer eins. Tim Hightower und Travaris Cadet sind Free Agents. Charles ist mit Sicherheit ein Upgrade gegenüber Hightower (auch 30) und ein viel gefährlicherer Receiver aus dem Backfield als Cadet (immerhin 40 Catches 2016). Zudem ist Charles‘ Wohnort nur knappe vier Autostunden von New Orleans entfernt.
Eddie Lacy (26 – zuletzt Green Bay Packers)
Steckbrief: Lacy gehört zu einer ganzen Generation talentierter Running Backs von der University of Alabama. 2013 drafteten die Packers den bulligen Back in der 2. Runde. Gleich als Rookie sorgte er für Angst und Schrecken (1.178 Yds/11 TD) und wurde zum „Offensive Rookie OT Year“ und in den Pro Bowl gewählt. Zwar knackte er auch im Folgejahr nochmal die 1.000-Yard-Marke, doch Verletzungen und Gewichtsprobleme bestimmten seither die Schlagzeilen rund um Lacy.
Ausgangsposition: Fünf Spiele, 71 Läufe, 370 Yards, kein Touchdown: Die Saison 2016 konnte Lacy getrost in die Tonne drücken. Hatte er sich in der vorherigen Offseason noch extra einen Nutrition Coach organisiert, der ihm mit seinem schwankenden Gewicht helfen sollte, sah er zu Saisonstart schon wieder aus wie ein laufender Butterkeks. Am Ende kostete ihn eine Knöchelverletzung den Rest der Saison.
Neue Heimat: Lacy hat gegenüber seinen drei Kontrahenten auf dem Markt einen Vorteil: Er befindet sich südlich der 30er-Marke. Er könnte noch viele gute Jahre vor sich haben. Dennoch könnten viele GMs sich lieber für einen unverbrauchten Rookie als für „Fat Eddie“ entscheiden. Die große Frage, die sich bei Lacy stellt ist folgende: Tritt er in die Fußstapfen seines Alabama-Kollegen Trent Richardson und wird einer der größten NFL-Flops oder legt er einen Mark Ingram hin und kann seine NFL-Karriere noch auf den richtigen Weg bringen?
Ganz oben auf Lacys Liste steht sein bisheriger Arbeitgeber. Die Green Bay Packers und ihr GM Ted Thompson haben ein Talent dafür, Spielern, die den großen Durchbruch noch nicht geschafft haben, einen Einjahresvertrag unterzujubeln und dann das Maximum aus ihnen herauszupressen (B.J. Raji, Nick Perry, Jared Cook). Lacy bringt die Art von physischem Spiel, das den Packers in den Jahren ohne ihn immer vermisst haben. Zudem will man doch lieber an der Seite von Aaron Rodgers als bei einer grauen Maus spielen.
Wenn einer geht, muss auch einer kommen. Die Rede ist von den Kansas City Chiefs. Zwar haben die Chiefs sich bereits mit C.J. Spiller verstärkt, aber der ist mehr Receiver als Läufer. Spencer Ware hat nach Charles‘ Verletzung solide gespielt (921 Yards), doch ein Lacy mit seinem physischen Spiel und seinem Motor würde den Chiefs, die vor allem in der Offensive oft als langweilig bezeichnet werden, gut tun.
Das dritte Team klingt einfach logisch, weil es einfach nicht zu den laufstärksten Teams der Liga gehört: die Indianapolis Colts. Frank Gore ist mit Sicherheit sein Geld dort wert, doch er ist bereits 34 Jahre alt. Lacy könnte hier beides sein: eine bullige Entlastung für den alten Mann (und Andrew Luck) oder die neue Nummer eins im Backfield der Colts.
LeGarrette Blount (30 – zuletzt New England Patriots)
Steckbrief: Blounts Weg in die NFL war steinig. Die Steine hat er sich aber selbst in den Weg gelegt. Im ersten Spiel seines letzten College-Jahres rastete er aus und knockte einen Gegner per Sucker Punch nach Spielende k.o. Er wurde anschließend nicht gedraftet und fand über den Umweg Tennessee Titans in Tampa Bay seinen Weg aufs NFL-Spielfeld. Da rockte er aber gleich als Rookie (1.007 Yds). Nach einem ersten Abstecher nach New England und einem unrühmlichen Abgang in Pittsburgh verbrachte er nun die vergangenen zweieinhalb Spielzeiten bei den Patriots, mit denen er zweimal Meister wurde.
Ausgangsposition: Blount hat die produktivste und erfolgreichste Saison seiner Laufbahn hinter sich. 299 Carries für 1.161 Yards und 18 Touchdowns – alles persönliche Bestwerte. Ein großes Fragezeichen bleibt dennoch: In den Playoffs tauchte Blount für gewöhnlich komplett ab. Es sei denn, es ging gegen die Colts. In zwei Spielen gegen Indy brachte er es auch 54 Läufe für 314 Yards und 7 Touchdowns (!!!). In den restlichen sechs Partien waren es 57 Läufe für 156 Yards und einen Score.
Neue Heimat: Er mag nicht der einfachste Charakter sein, aber mit harter Hand geführt (Stichwort Belichick) ist auch Blount ein echter Teamplayer. Potentielle neue Arbeitgeber sollten sich aber vorher gut überlegen, ob die Wuchtbrumme die richtige Medizin für den eigenen Locker Room ist.
Was für Lacy gilt, gilt auch für Blount: Zuhause ist es am schönsten. Gut möglich, dass der Running Back auch in Zukunft das Trikot der New England Patriots tragen wird. Schließlich wusste niemand Blount besser einzusetzen als Bill Belichick. Zudem könnte sich es der Champion leisten, mal ein wenig Geld auszugeben. Immerhin haben die Pats mehr als 62 Millionen Dollar Cap Space.
In der NFL ist es nicht ungewöhnlich, dass Spieler gegen Ende einer Laufbahn dahin zurückkehren, wo sie einst ihre ersten Schritte als Profi gemacht haben. Zwar wurde Blount zuerst von den Titans verpflichtet, doch gespielt hat er in der NFL erst in seiner Zeit bei den Tampa Bay Buccaneers. Und die benötigen Hilfe. Doug Martin hin oder her, der einstige Star ist nicht mehr derselbe. Nur eines der vergangenen vier Jahre beendete Martin verletzungsfrei. Zudem wurde er zum Ende der letzten Saison wegen Einnahme illegaler Substanzen für vier Spiele gesperrt.
Das Karrierende von Marshawn Lynch hängt noch immer wie ein altes Klavier über den Seattle Seahawks. Es droht jeden Moment runterzustürzen und alle zu erschlagen. „BeastMode“ war die Butter auf dem Brot von Head Coach Pete Carroll. Thomas Rawls und C.J. Prosise haben sich 2016 trotz Verletzungen und einer unterirdischen O-Line wacker geschlagen, doch ein Blount würde dem Team die nötige Galligkeit zurückgeben, die es vermissen ließ. Ein Upgrade ist hier ohnehin nötig. 1.591 Yards (Platz 25) und 403 Rushes (Platz 20) waren die ersten Werte unter 2.000 Yards und 500 Läufen in fünf Jahren und die schlechtesten Werte seit 2010 – Carrolls erstem Jahr an der Westküste.
Aber ihr wisst ja, am Ende ist das auch alles Spekulatius. Wie die Würfel wirklich fallen, werden wir in Kürze wissen.
In diesem Sinne. Bis nächste Woche,
Euer Stolle