Der Super Bowl wird “epic”. Der Super Bowl wird umkämpfter als die letzten Präsidentschaftswahlen in den USA. Der Super Bowl wird ein historisches Duell. Der Super Bowl wird alles in den Schatten stellen, was ihr in den vergangenen 50 Jahren über den Super Bowl zu wissen geglaubt habt (so ihr denn so alt seid). Aber ganz ehrlich Leute, ich kann es (schon jetzt) nicht mehr hören!
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Denn die Wahrheit ist: Super Bowl LI wird so dröge und trocken wie ein Kaffeekränzchen im Seniorenwohnheim „Sonnige Aussichten“.
Ich sage es auch nur ungern, aber – ACHTUNG! SPOILER ALERT! – Bill „Grinch“ Belichick und Tom „Luftpumpe“ Brady werden den Staubfänger namens Lombardi Trophy ein weiteres Mal gewinnen. Kein Drama. Kein Wow. Kein Scheiß. Eigentlich ist doch viel interessanter, dass der Super Bowl jetzt schon nach nem zweitklassigen Martial Arts Schauspieler benannt wurde (für alle unter euch, die nur Dagi Bee oder Die Lochis kennen; die Rede ist von Jet Li). Kann ich mir in Zukunft auch die Namensrechte am Spiel der Spiele sichern? Dann freut euch auf den Super Stolle Bowl. Demnächst in eurer Nähe…
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Super Bowl LI (51 für alle Nicht-Römer am Rechner). Vielleicht bin ich auf den Kopf gefallen (würde ja zum Titel dieser Rubrik passen) oder vielleicht leide ich auch noch ganz persönlich unter dem blamablen Ende der Saison der Käseköpfe (#FireCapers), aber bitte erwartet nicht zu viel von diesem NFL-Finale.
2. These: Super Bowl LI wird alles andere als super
1) Ihr braucht jetzt nicht gleich an die Decke gehen oder wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen durchs Zimmer flattern. Bedenken wir doch einmal die Fakten: Nach einer bis zum letzten Spieltag spannenden Regular Season waren die Playoffs einfach nur öde. Von den zehn Spielen gab es nur zwei (!), die mit weniger als 13 (DREIZEHN) Punkten Unterschied endeten. Zum einen war das der Sieg der Steelers in Kansas City, ein Spiel, das nur auf der Anzeigentafel spannend war, und zum anderen war es der Last-Second-Sieg der Packers in Dallas. Also nüchtern betrachtet war nur dieses Spiel (und auch nur im Schlussviertel) wirklich ein Duell. Die Chance ist also ziemlich groß, dass sich auch im Super Bowl der Favorit deutlicher als gedacht durchsetzen wird.
2) In Houston trifft die beste Scoring Offense (Atlanta) auf die beste Scoring Defense (New England). Dieses Duell gab es in der Super-Bowl-Geschichte bereits sechs Mal. Und wie heißt es so schön: Defense wins championships. Denn fünf Mal siegte das Team mit der statistisch besseren Verteidigung. Jetzt kommen wieder die Hater hinterm Ofen vor und wollen mir erzählen, dass die Patriots den einfachsten Spielplan hatten und Ben Roethlisberger und Russell Wilson die einzigen echten Super-Quarterbacks waren, die die Pats diese Saison gespielt haben. Mag sein. Aber glaubt ihr wirklich, dass Matt Ryan – der verdientermaßen zum MVP der Saison gekürt werden wird – tatsächlich auch gegen die Patriots 350 Yards und 3 Touchdowns werfen wird??? C’mon!
3) Apropos MVP: Seit Kurt Warner 1999 hat der Saison MVP nicht mehr den Super Bowl gewonnen. Noch ist das Ergebnis nicht offiziell, aber es führt da wohl kein Weg an Ryan vorbei. Pech für ihn.
Erfahrung gegen junge Wilde
4) Stichwort Erfahrung. Zum neunten Mal stehen die Patriots im Super Bowl – so oft wie kein anderes Team. Belichick und Brady tanzen bereits zum siebten Mal (!) zusammen im Finale. Und wenn der Gegner nicht New York Giants hieß, gab es einen Sieg. Und die vier Siege waren alle historisch. Der erste (2001) war eine Sensation, vielleicht der größte Underdog-Sieg der Super-Bowl-Historie. Als nächstes feierten die Pats Back-to-Back-Titel (2003&2004). Das gelang seither niemandem mehr. Und der letzte Triumph war an Dramatik kaum zu überbieten. Marshawn Lynch hat deswegen heute noch Selbstmordgedanken…
5) Die Falcons verdienen Respekt. Und das nicht nur für ihre phänomenale Offensive. Die Defense hat sich in den vergangenen Wochen klar gesteigert. Zum Vergleich: In den ersten zwölf Saisonspielen gaben sie 381,7 Yards pro Spiel und 27,6 Punkt pro Spiel ab. Zudem erzielten sie nur 1,1 Turnovers pro Partie. In den vergangenen sechs Wochen eroberten sie doppelt so viele Ballverluste (2,2) und senkten die abgegebenen Punkte (19,3 pro Spiel) und Yards (339,2 pro Spiel) drastisch. Einen großen Anteil am Aufschwung der „D“ haben die Rookies Keanu Neal (1. Runde), Deion Jones (2. Runde) und De’Vondre Campbell (4. Runde). Aber genau dieses Trio ist gegen New England die Schwachstelle: Habt ihr nicht gesehen, was Brady und seine Offense am vergangenen Sonntag mit der jungen Secondary der Steelers veranstaltet haben? Die Kids wurden rund gemacht wie Buslenker. Dasselbe droht der Kindergartengruppe „Kleine Falken“ am 5. Februar.
6) Ryan ist heiß. Die ganze Saison spielt „Matty Ice“ schon in seiner eigenen Liga. Und man hat sich so daran gewöhnt, dass nicht oft genug darüber geredet wird. Aber Brady ist meiner Meinung nach noch heißer. Man bedenke: Die 384 Pass-Yards gegen Pittsburgh waren ein Karriere-Bestwert für ein Playoff-Spiel für ihn. Und der Mann hat immerhin schon 33 (!) Playoff-Spiele bestritten. In 14 Saisonspielen hat Brady nur vier Interceptions geworfen (bei 33 Touchdowns). Und die meiste Zeit hatte er keinen „Gronk“ an seiner Seite.
Bradys persönliche Vendetta
7) Noch mehr Brady: Unser Tommy hat noch nie gegen die Falcons verloren. Vier Spiele. Vier Siege. Dabei warf er neun Touchdowns und nur eine Interception. Sein Passer Rating gegen Atlanta liegt bei sagenhaften 115,7 – gegen kein anderes Team hat Brady ein besseres Rating. Ja klar, das letzte Duell gegen Atlanta gab es, als noch ein anderer Coaching Staff an der Seitenlinie der Falcons auf- und abging, aber für gegnerisches Personal haben sich Brady und Belichick noch nie wirklich interessiert.
8) Einen Brady habe ich noch: Der Mann meint zwar, er wäre nicht auf irgendeinem Rachefeldzug nach seiner Sperre zu Saisonbeginn. Aber denkt ihr nicht, dass es ihm nicht große Genugtuung geben würde, wenn er am Ende von Super Bowl LI die Lombardi Trophy von Roger Goodell persönlich übergeben bekommen würde?!
9) Vergessen wir mal nicht die Defensive der Patriots. Wie schon erwähnt, hat sie in der laufenden Saison die wenigsten Punkte aller Teams abgegeben. Nur 15,6 Zähler pro Spiel. Auch in den Playoffs machten die Pats kurzen Prozess mit ihren Gegnern. Nur mal so: In 13 der vergangenen 16 Spiele erlaubten die Patriots ihrem Gegner weniger als 20 Punkte. Irgendetwas sagt mir, dass Spieler wie Devin McCourty und Malcolm Butler sich den einen oder anderen Pass von Ryan schnappen werden.
10) Ein Brady geht noch: Der 39-jährige Spielmacher der Patriots hat nun schon alles gesehen und erlebt. Daher hat diese Statistik durchaus Bedeutung: Noch nie hat Brady in den Playoffs gegen ein Team verloren, gegen welches er in dieser Saison zum ersten Mal antritt.
11) Beenden wir die Geschichte mit der offensichtlichsten Tatsache. Die New England Patriots spielen im Finale. Mal wieder. Mit demselben Cheftrainer, der zweifelsohne der beste Coach ist, der je gelebt hat. Er ist aber zugleich auch der Grinch des Footballs. Zerknittertes Gesicht, zerschlissene Sweatshirts, einsilbige Antworten, hat so viel Humor wie Kim Jong-Il und er ist der Einzige, der Roger Goodell ungestraft ans Bein pinkeln kann. Man muss „Big Bill“ einfach hassen (und zugleich den Hut vor ihm ziehen). Und mit ihm seine Armee von Spielern, die sich dem Ziel – der totalen Zerstörung der Ausgeglichenheit zwischen allen Teams in der NFL – untergeordnet haben. Da ist es doch egal, ob diese Soldaten witzig sind wie Gronk oder tanzen können wir Marty Bennett oder den heiligen Gral in der Hose haben wie Tommy Boy: die Patriots verwandeln mit ihrer unfassbaren Dominanz die NFL in die Bundesliga. MiaSanMia trifft Boston Tea Party.
Ehrlich Freunde, ich würde mir ein spannenderes Finale wünschen. Und euch auch. Ich wünsche mir auch, dass in Hamburg öfter die Sonne scheinen würde oder das Dr. Pepper regnen würde. Aber das wird ebenso wenig passieren. Also findet euch damit ab.
Bis nächste Woche,
Euer Stolle