Wenn es draußen endlich mal ein paar Tage kalt ist, wenn der deutsche Winterdienst mal wieder von eben jenem Winter überrascht wird, wenn die guten Vorsätze schon wieder ein alter Hut sind – dann steht die NFL-Saison kurz vor ihrem Höhepunkt. Und weil ich diesem mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegenblicke, habe ich beim morgendlichen Kratzen der vereisten Autoscheiben darüber sinniert, worüber ich wohl bis zum Saisonende und auch weit darüber hinaus schreiben könnte für die Footballerei…
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Als ich da so in Gedanken versunken am Straßenrand stand, erfasste mich plötzlich das Müllauto. Ich flog hoch in die Luft und landete rund 75 Meter vom Tatort entfernt in einer tiefgefrorenen Pfütze. Das ganze sah ungefähr so aus – nur mit Schnee und Eis:
Woah… https://t.co/VcxNqjoKu1
— Justin King (@JustinKing) 10. Januar 2017
Als ich da so lag, der Müllmann Fahrerflucht begang und die Nachbarn sich über mein Rumlümmeln in der Öffentlichkeit beschwerten, kam mir ein Gedanke, den ich nur meinem weichen Hirn zuschreiben kann: „Schreib deine Meinung auf. Zu irgendwas. Über Football. Und lass dich anschließend von den Footballerei-Lesern beschimpfen wie von den Nachbarn.“
Mit anderen Worten: Willkommen im Concussion Protocol von eurem Stolle. Ab sofort widme ich mich jede Woche einem Thema rund ums Leder-Ei. Ich tue also gefährliches Halbwissen zusammen mit Football-Weisheiten zusammen in euren Suppentopf. Und am Ende dürft ihr euren Senf auch noch dazugeben. Wird lecker!
1. These: Die Steelers versauen Brady die Frisur!
Wenn am kommenden Wochenende die Championship Games in der AFC und der NFC ausgetragen werden, konzentrieren sich doch die meisten Medien auf das Duell der beiden potenziellen Saison-MVPs: Matt Ryan gegen Aaron Rodgers (von beiden findet ihr übrigens fette Shirts in unserem Shop).
Irgendwie geht das AFC-Spiel zwischen den Patriots und den Steelers etwas unter. Vielleicht, weil es das Duell gefühlt seit 20 Jahren immer wieder gibt (dabei gab es das zuletzt 2004/05). Oder weil viele Experten der Meinung sind, die Steelers wären nur eine weitere Nummer auf dem Weg der Patriots ins Finale.
Wer will es ihnen verübeln. Tom Brady hat eine Hammer-Saison hinter sich (67,4 % Completions = höchste Zahl seit 2007 und zweithöchste seiner Karriere / 28 Touchdowns bei nur 2 Interceptions / Rating von 112,2 = siehe Completion Percentage). Der Laufangriff der Pats ist der siebtbeste der Liga (1.872 Yds/117,0 Yds pro Spiel). Dazu kommt eine Defense, die womöglich zuletzt 2001 so aufgetrumpft hat. Ihr wollt auch hier Zahlen? Bitteschön:
– Drittbeste Run Defense (88,6 Yds/Game)
– Die wenigsten Rushing TDs erlaubt (6)
– Die achtwenigsten Yards pro Spiel erlaubt (326,4)
– Die drittwenigsten First Downs pro Spiel erlaubt (18,4)
– Die siebtbeste Third Down Defense (37%)
– Die viertwenigste Time of Possesion für den Gegner (28:47/Spiel) (Ist auch der Offense zuzuschreiben)
– Die beste Scoring Defense der NFL (250 Punkte/nur 15,6 Punkte pro Spiel)
All das spricht für New England. All das spricht für die siebte Super-Bowl-Teilnahme der Patriots unter Bill Belichick. Und ganz nebenbei haben die Patriots noch nie ein AFC Championship Game in Foxboro verloren (6-0). Und doch lag ich da in der Eispfütze und dachte: „Na und?! Wenn es einer schaffen kann, Brady und Co. frühzeitig in die Ferien zu schicken, dann Klopsisberger, Bell, Brown der Rest der Killerbienen.“
Hot Steel
Denn was die Packers in der NFC sind, sind die Steelers in der AFC (der heißeste Scheiß seit Jennifer Aniston in „Kill the Boss“).
Pittsburgh hat sogar neun Spiele in Serie gewonnen. Die Offensive blieb nur drei Mal in dieser Saison unter 300 Yards (jedes Mal eine Niederlage), und beheimatet mit Le’Veon Bell und Antonio Brown das wohl gefährlichste Running Back/Receiver-Duo der NFL. Und ganz nebenbei sei erwähnt, dass die oft kritisierte Offensive Line der Steelers in der regulären Saison nur 21 Sacks zugelassen hat (Platz 2) – die wenigsten seit 1997 (20)!!! In der Zwischenzeit waren es im besten Fall 31 erlaubte Sacks. Seit Beginn ihrer Serie kassierten die Steelers nur neun Sacks – allein vier davon im bedeutungslosen Spiel in Woche 17 gegen die Browns. Heißt: Ben Roethlisberger musste seit dem 20. November nur fünf Mal den Rasen knutschen! Zuletzt war „Big Ben“ wahrscheinlich als 12-Jähriger so unversehrt.
Pittsburgh hat seit Woche 11 im Schnitt nur 16,5 Punkte pro Partie zugelassen. Im Schnitt erzwang Pittsburgh in diesen neun Spielen zwei Turnover pro Partie – in jedem Spiel aber mindestens einen. Im selben Zeitraum haben die Mannen von Head Coach Mike Tomlin nur 87,7 Rushing Yards pro Begegnung erlaubt. Und es wären sicher noch weniger gewesen, hätte man sich am letzten Spieltag gegen die Browns nicht eine kollektive Auszeit gegönnt (231 Rushing Yds).
Pfeffiditsche für Tom
Und die vielleicht wichtigste Zahl? 31. Genau so viele Sacks hat die Defensive der Steelers seit Beginn ihrer Erfolgsserie erzielt – mehr als jedes andere Team in der NFL.
Warum ist diese Zahl in meinen Augen die wichtigste? Weil die Houston Texans zumindest eine Halbzeit lang gezeigt haben, wie man einen Brady aus dem Konzept bringt: mit Druck, Druck, Druck. Es gelang (8 Hits, 2 Sacks, 2 Interceptions). Doch Houston hatte keinen „Big Ben“, sondern einen „Bust Brock“.
Volevo avvisarvi che Matt Moore è ancora vivo #BOOM???? #NFLPlayoffs #MIAvsPIT #FinsUp pic.twitter.com/7bp0XxMKMD
— NBA-Evolution (@NBAEvolution) 8. Januar 2017
Das Rezept der Texans Defense erwies sich schon im AFC Championship Game vor einem Jahr als erfolgreich. Damals musste Brady unglaubliche 20 Hits (4 Sacks) einstecken. Das waren mehr als seine Bostoner Kumpels von den New Kids on the Block in einer ganzen Karriere hatten…
Ich bin überzeugt davon, dass die Steelers in der Lage sein werden, Bradys faltenfreies Gesicht zu zerbeulen, ihm ordentlich Pfeffiditsche zu verpassen und ihn rundzumachen wie nen Buslenker. Wenn der vielleicht beste Quarterback der Neuzeit (aber definitiv der schönste aller Zeiten) dann seine Faust wütend in den gefrorenen Rasen des Gillette Stadiums schlägt, verzweifelt um eine Wunderheilung seiner „German Wall“ Sebastian Vollmer bittet und sich genauso beschissen fühlt, wie ich in meiner Eispfütze, nachdem ich das Duell mit dem Müllauto knapp verloren hatte, dann spricht alles für die erste Super-Bowl-Teilnahme der Steelers seit sechs Jahren (und für ein Final-Rematch von damals. Aber das ist eine andere Geschichte).