Nach der 234. Wiederholung des Edelman-Catches sollte mittlerweile wohl jeder den Super Bowl so einigermaßen verarbeitet haben. Der NFL Draft steht vor der Tür! Okay, Kyle Shanahan wird sicher noch ein Weilchen weitergrübeln, im letzten Viertel in entscheidenden Situationen zweimal auf den Pass gesetzt zu haben – statt per Lauf die Uhr und damit auch die Patriots in die Knie zu zwingen.

In Atlanta schläft man also noch ein paar Jahre schlecht und wird dieser vergebenen Chance wohl ewig hinterher trauern. Ob die Offense nach dem Abgang von Shanahan zu den 49ers jemals wieder so ein Feuerwerk abbrennen wird wie letzte Saison? Ob der ergraute Teambesitzer und Hobbytänzer Arthur Blank Zeit seines Lebens jemals nen Super Bowl feiern wird, nachdem er mit seiner jungen Begleitung zur Halbzeit sicher schon über Intimtattoos mit dem Super Bowl LI-Logo nachdenken durfte? Rise up. Life is a bitch.

Für ALLE anderen Teams heisst es aber: eine neue Liebe ist wie ein neues Leben. Und nichts kann einem Fan das traurige Herz so schnell wieder erwärmen wie eine Frischzellenkur aus dem College.

Ich werde mir in den nächsten Wochen Division für Division im Hinblick auf den bevorstehenden Draft vornehmen. Mal gucken, wie in jedem Kader der NFL die Baustellen aussehen – und über welche Positionen sich Coaches und GMs erstmal keine Gedanken mehr machen müssen, sondern gaaanz entspannt zurücklehnen dürfen. Wir starten mit der AFC WEST.


KANSAS CITY CHIEFS (Bilanz 2016: 12-4)

Stärken:

Die Defense in Kansas City sorgte letztlich dafür, dass die Chiefs einen famosen Schlussspurt hinlegen und die Raiders noch überholen konnten. War der fast nicht existente Pass Rush in der ersten Saisonhälfte noch das große Problem, steigerte sich die Defensive Line nach der Rückkehr von Justin Houston im Zusammenspiel mit Dee Ford und Nose Tackle Dontari Poe deutlich.

Die Secondary um die Pro Bowler Eric Berry (Safety) und Marcus Peters (Cornerback) war die grösste Stärke der Chiefs. Auch Terrance Mitchell als Cornerback auf der anderen Seite spielte in den letzten Wochen des Jahres überraschend stark – er ist ein restricted Free Agent, d.h. sollte Kansas City ihn behalten wollen, werden sie jedes Angebot kontern können. Dontari Poe und Eric Berry allerdings sind unrestricted und somit ‚Freiwild‘.

Schwächen:

Alex Smith gehört in die Kategorie: zu viel zum sterben, zu wenig für den Super Bowl. Über ihn wird es jedoch keine ernsthafte Diskussion geben. Andy Reid steht einfach auf den Mann. Hätte Smith aber ein besseres Laufspiel, wär alles halb so wild. Ohne den verletzten Jamaal Charles war Kansas City auf dem Boden harmlos wie ein Kinderpups.

Vor Spencer Ware und Charcandrick West zittert niemand. Die große Frage für 2017 lautet also: wird Jamaal nochmal der Alte – oder wird er stattdessen gecuttet? Über 6 Mio $ könnte Kansas City an Cap Room freischaufeln, wenn sie Charles die Tür zeigen…

Draft Needs:

  • Running Back – Jamaal ist das grösste Fragezeichen im Kader. Selbst wenn er Teil des Teams bleibt, wäre es ein großes Risiko, mit ihm als alleinigen Hoffnungsträger des Laufspiels in die neue Saison zu gehen. Dazu kommt: er wird nicht jünger.
  • Inside Linebacker – in der 3-4 Defense wird neben Ramik Wilson noch ein zweiter Mann benötigt. Derrick Johnson war jahrelang das Rückgrat der Chiefs-Verteidigung. Mit gerissener Achillessehne und 34 Jahren wird er vermutlich nicht besser.
  • Guard – Zach Fulton war neben Draftbust Eric Fisher (Tackle) der schwächste Mann in der Offensive Line der Chiefs. Fisher ist safe – er hat in der letzten Offseason einen Mega-Vertrag unterschrieben. Keiner weiß, warum.

OAKLAND RAIDERS (Bilanz 2016: 12-4)

Stärken:

Die Offensive Line der Raiders gehört zu den Top 3 in der NFL – dank General Manager Reggie McKenzie, der in diese Gruppe in den letzten Jahren äusserst clever investiert hat. Tackle Donald Penn (2014) und Guard Kelechi Osemele (2016) kamen als Free Agents nach Oakland und bilden eine großartige linke Seite, hinter der Quarterback Derek Carr alle Zeit der Welt hatte und ein durchschnittlicher Running Back wie Latavius Murray 12 Touchdowns (hauptsächlich an der Goalline) erlief.

Carr wurde 2014 zusammen mit dem Defensive Player Of The Year 2016, Khalil Mack, gedraftet – ebenso wie Guard Gabe Jackson. Dieses Draftjahr bildet den Grundstein für den Erfolg in Oakland, der so schnell wohl nicht enden wird… 2015 legte das Riesenbaby McKenzie nochmal nach, draftete WR Amari Cooper und verpflichtete Free Agent Michael Crabtree. So gehört die Offense zu den besten der Liga – und wird das erstmal auch bleiben.

Schwächen:

Safety Karl Joseph war trotz Bedenken um sein anfälliges Knie (nach Kreuzbandriß im College) an Position 14 des Drafts 2016 ein Volltreffer und steigerte sich im Lauf der letzten Saison stetig. Abgesehen davon war die Secondary der Raiders eine Schwachstelle – Free Agent Sean Smith kam aus Kansas City, fiel aber ab.

Smith ließ fast 1.000 Receiving Yards gegen sich zu (laut Pro Football Focus der zweitschlechteste Wert der Liga) und sah vor allem gegen schnelle Receiver (wie Brandin Cooks oder Travis Benjamin) übel aus. Cornerback-Kollege David Amerson spielte ebenfalls eine schlechte Saison und konnte sein überraschend starkes 2015 nicht wiederholen.

Draft Needs:

  • Cornerback – wie oben erwähnt sind weder Smith noch Amerson gut genug, um in den Playoffs was zu reissen. Kollege D.J. Hayden konnte seinen 1st Round Draft-Status (2013) nie rechtfertigen und ist nun Free Agent.
  • Middle Linebacker – im Herz der Defense muss ein Leistungsträger her. Perry Riley wird das auf Dauer nicht sein. Und Cory James hat seine Chance nicht genutzt.
  • Defensive Tackle – Jihad Ward wurde 2016 in Runde 2 eigentlich als Defensive End gedraftet, vielleicht kann er die Lösung sein. Dan Williams und Stacy McGee spielten eine schwache Saison.
  • Running Back – die beiden Klone DeAndre Washington und Jalen Richard waren Draftpicks 2016 und haben Eindruck hinterlassen. Allerdings sind beide zu schwach auf der Brust und ohne die Physis von Latavius Murray. Der ist Free Agent und wird Oakland wohl verlassen.
  • Quarterback (Backup) – Derek Carr war aus meiner Sicht der einzig wahre MVP der NFL. Als er ausfiel, war der Ofen aus. Das nenn ich wertvoll.

DENVER BRONCOS (Bilanz 2016: 9-7)

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Stärken:

Die Pass Defense des Super Bowl Champs von 2015 ist immer noch das Sahnestück einer starken Verteidigung. Außer vielleicht Cornerback Kayvon Webster (unrestricted Free Agent) bleibt die Truppe vollständig erhalten – Chris Harris, Aqib Talib, Bradley Roby. Weltklasse. Websters Abgang würde John Elway zwar gern vermeiden – aber in jedem anderen NFL-Team wäre der 26-jährige mehr als nur Special Teams Captain und Cornerback No. 4.

In der Offense werden den Broncos auch 2017 die Receiver Demaryius Thomas und Emmanuel Sanders zur Verfügung stehen. Es gibt nicht viele vergleichbar starke Duos auf dieser Position.

Schwächen:

Trevor Siemian spielte dann ja doch deutlich besser als befürchtet – aber ob John Elway das auf Dauer genug sein wird? Der neue Coach Vance Joseph (vorher Defensive Coordinator der Miami Dolphins) und der neue/alte Offensive Coordinator Mike McCoy (vorher Head Coach San Diego) werden grübeln müssen, ob sie Siemian oder dem 1st Round-Pick 2016, Paxton Lynch, das Ruder übergeben. Hinter einer schwachen Offensive Line hat’s keiner der beiden leicht.

Interessant: der für die Entwicklung von Derek Carr sicher nicht unwichtige ehemalige OC der Raiders, Bill Musgrave, heuert nun als Quarterbacks Coach bei den Broncos an. Kein schlechtes Zeichen für Lynch.

Draft Needs:

  • Offensive Tackle – LT Russell Okung war im Gegensatz zu seiner Zeit in Seattle zwar grösstenteils verletzungsfrei, enttäuschte aber trotzdem. Auf der rechten Seite sah’s noch übler aus…
  • Guard – das grösste Problem der Offense war 2016 das fehlende Laufspiel. CJ Anderson oder danach Rookie Devontae Booker liefen ständig in eine Mauer aus Fleisch – oder wurden gleich hinter der Line of Scrimmage begrüsst. Auch ein Tight End würde hier helfen, der blocken kann.
  • Defensive End – nach dem Abgang von Malik Jackson litt vor allem die Laufverteidigung der Broncos. Er muss ersetzt werden. Die beste Secondary der Liga nützt wenig, wenn Denver jede Woche in Grund und Boden gelaufen wird.

LOS ANGELES CHARGERS (Bilanz 2016: 5-11)

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Stärken:

Der neue Coach Anthony Lynn findet in San Die… äh, Los Angeles einen guten Kader vor. Quarterback Philip Rivers hat noch ein paar Jährchen in sich, Running Back Melvin Gordon hat 2016 gezeigt, dass er einen 1st Round Draftpick wert war, WR Keenan Allen sollte, sofern er sich einigermaßen von seiner schweren Knieverletzung erholt, wieder der ‚go-to-guy‘ von Rivers werden und wird mit den Youngstern Tyrell Williams, Dontrelle Inman sowie Routinier Travis Benjamin eine sehr solide Receiver-Gruppe bilden.

Die Defense wird von Jahr zu Jahr stärker. Neuzugang Casey Hayward kam 2016 von den Packers (warum haben die den eigentlich gehen lassen?), stand im Pro Bowl und hatte die meisten Interceptions der NFL. Defensive End Joey Bosa wurde Defensive Rookie Of The Year und spielte nach anfänglichem Vertragsgerangel eine überragende Saison. Schwamm drüber. Dazu kam eine starke Linebacker-Crew mit Melvin Ingram (allerdings nun Free Agent), Denzel Perryman (wenn er mal verletzungsfrei bleibt) sowie den Rookies Jatavis Brown und Joshua Perry.

Schwächen:

OFFENSIVE LINE. Philip Rivers muss sich jede Woche vorgekommen sein wie ein GOAT. Nicht im Brady’schen Sinn. Mehr wie die Ziege, die in Jurassic Park angebunden auf den T-Rex wartet… Sowohl die Tackles als auch die Guards waren im Pass-Blocking vogelwild.

Neben Ingram und Bosa gab es im Kader keinen Spieler, der Druck auf den Quarterback ausüben konnte. Hier besteht Nachholbedarf – vor allem, wenn Ingram woanders unterschreiben sollte.

Draft Needs:

  • Offensive Tackle/Guard – you name it. Dunlap und Barksdale auf den Tackle-Positionen, Franklin und Fluker auf Guard. Eigentlich kann man sie alle ersetzen.
  • Outside Linebacker – selbst wenn die Chargers Melvin Ingram halten, brauchen sie hier Tiefe im Kader.
  • Safety – Eric Weddle war der wohl grösste Verlust für die Chargers in den letzten Jahren. Er ging vor der letzten Saison nach Baltimore, weil er sich mit San Diego nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen konnte. ‚Hitman‘ Jahleel Addae ist ein Free Agent und wird seinen Schädel 2017 vielleicht in einem anderen Team riskieren. Dann besteht auf der Position doppelt Bedarf.

So, das wär’s erstmal von meiner Seite – nächste Woche kümmern wir uns dann um die NFC West.

Bis denne,

Detti sagt Servus.

 

Video: YouTube

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