Mit dem Draft ist es wie mit der Tour de France (oder jedem anderen gottverdammten Radrennen). Da wartet man eine halbe Ewigkeit und dann rast das Event an dir vorbei, wie Lance „No Balls, But Lots Of Juice“ Armstrong und die anderen Kerle in Speedos, wenn man bei der Tour irgendwo an der Strecke steht. Doch zum Glück habt ihr ja mich!

Ich bin der Typ, der ein ganz klein wenig hinter dem Peloton hinterherhängt und in Zeitlupe an der Menge vorbeieiert. Und weil ich diesen Moment so genieße und eh nichts mit dem Ausgang des Rennens zu tun haben werde, drehe ich nochmal eine Ehrenrunde – freihändig – durch die Straßen. Und genau so mache ich es jetzt auch mit dem Draft. Das Ding mag gegessen sein, aber ich pack das abgelaufene Hackfleisch nochmal auf den Teller!

Apropos Fleisch: Bei mir dreht sich heute alles um ein paar Youngster, die ihr wohl höchstens kennt, wenn ihr zu viel Zeit mit WatchESPN oder illegalen TV-Streams von College-Spielen verbringt. Es geht um Undrafted Free Agents. Also die Jungs, die direkt nach Draft-Ende von den NFL-Teams verpflichtet werden. Für wenig Geld und oft nur mit der Idee, den Kader fürs Trainingscamp aufzufüllen. Und doch gibt es sie immer wieder, die Spieler, die the Odds beaten und sich nicht nur einen Platz in einem der 53er Kader sichern, sondern echt Karriere machen.

16. These: Diese Kids werden den Etablierten in den A*** treten

Ich nenne euch heute einige College Kids, die meiner Meinung nach eine echte Chance bei ihrem NFL-Team haben werden. Selbstverständlich ist auch unser Buddy Kevin Davis auf der Liste. Wir German Ballspieler müssen doch zusammenhalten!

Kevin Davis: LB, Los Angeles Rams

UFA von der Colorado State University.
Der Weg wird nicht leicht für Kevin Davis, doch wir von der Footballerei glauben an ihn. Kevin weiß, welches System die Rams unter Wade Philipps spielen und weiß, was ihn dort erwartet. Damit hat er hoffentlich einen kleinen Vorteil gegenüber den beiden Linebackern, die die Rams in Runde 5 und 7 gedraftet haben und dem zweiten Undrafted Free Agent LB. Davis bewegt sich gut. Seine Stärken hat er beim Spiel an der Line of Scrimmage, wo er 24,5 Tackles für Raumverlust als Junior und Senior erzielen konnte. Zwei Jahre in Folge mit jeweils mehr als 100 Tackles zeigen, dass er weiß, wo der Ball und der Gegner zu finden sind. Experten sind der Meinung, er müsse stärker werden und sei eher für die Outside Linebacker-Position geeignet. So oder so hat er eine große Chance in den Special Teams der Rams zu punkten. Denn obwohl er Starter an der CSU war, hat er immer Special Teams gespielt – für Undrafted Free Agents die beste Chance, sich in der NFL festzubeißen.

Austin Carr: WR, New England Patriots

UFA von der Northwestern.
Carr klingt nach einer dieser klassischen Feel-Good-Stories. Er kam als Walk-On (also ohne Stipendium) an die Northwestern University. Als Junior hatte er sich den Respekt der Coaches und Mitspieler verdient gehabt, erhielt sein Stipendium und wurde zum Starter ernannt. In seiner Abschlusssaison schaffte er es sogar ins 1st Team All-BIG10 Conference der Coaches und Medien. Zudem wählten ihn die USA Today und die Associated Press ins 2nd All-American Team. Der Grund dafür? 84 Catches für 1.196 Yards und 12 Touchdowns als Senior. Carr ist ein klassischer Slot Receiver – perfekt für New England. An Julian Edelman wird er sicher (noch) nicht vorbeikommen, doch einen Danny Amendola könnte Carr aus dem Kader schmeißen.

Kai Nacua: S, Cleveland Browns

UFA von der BYU.
Kai Nacua spielte an der BYU, wo er zu den besten Athleten im Team zählte. Er ist gebaut wie ein klassischer NFL Safety, ist ein knallharter Hitter und ein Ballhawk (14 Interceptions am College). Dass er sich für die Browns entschieden hat, ist weise. Denn die haben nach Jabrill Peppers nichts für die Safety-Position im Draft unternommen. Dabei galten Ibraheim Campbell und Ed Reynolds als die schwächsten ihrer Zunft in 2016 und Gregg Williams spielt in seiner 4-2-5 Defense gern mit drei Safetys.

Corey Clement: RB, Philadelphia Eagles

UFA von der University of Wisconsin.
Wenn die Badgers etwas können, dann Offensive Linemen und Running Backs hervorbringen. Nicht jeder der Ballträger kann die Leistungen, die er in Wisconsin gezeigt hat, auch in der NFL abrufen (Ron Dayne, Montee Ball), doch James White oder Melvin Gordon haben bewiesen, dass sie auch ohne eine Badgers-O-Line Lücken finden. Clement hatte nicht die illustre Karriere an der UW wie seine Vorgänger und kämpfte zuletzt immer wieder mit Verletzungen, doch er ist athletisch, kann cutten wie ein junges Reh und bekommt bei Outside Runs auch die krasseste Kurve. Doch im Zone Blocking Schema der Eagles und mit der dünnen Running-Back-Situation in Philly wird er sich einen Platz im Kader erkämpfen.

Ishmael Zamora: WR, Oakland Raiders

UFA an der Baylor University.
In ihren schlechten Jahren konnten die Raiders nicht viel. Aber alle paar Jahre zauberten sie einen Undrafted Free Agent Receiver aus dem Hut (u.a. Seth Roberts, Rod Streater). Selbiges könnte ihnen auch im Zuge des Aufschwungs gelingen. Ishmael Zamora bringt nämlich alles mit, was ein NFL Receiver braucht: Er ist 1,93m groß und wiegt 98kg. Er lief beim Pro Day die 40 Yards in 4,53 Sekunden und ließ bei den Bears gegnerische Cornerbacks regelmäßig wie kleine Schuljungen aussehen. 2016 fing er 63 Bälle für 809 Yards und 8 Touchdowns. Aber warum wurde er nicht gedraftet? Ihr habt es sicher schon geahnt: Der Mann hat Dreck am Stecken. 2015 tauchte ein Video auf, in dem er seinen Hund mit einem Gürtel schlug und mit Füßen trat (Offensichtlich nimmt die NFL so etwas ernster als Frauenschläger wie Joe Mixon oder Caleb Brantley). Zamora muss an seinen Routen arbeiten und konstanter spielen, aber bei den Raiders hat er eine echte Chance, zum Arsenal von Derek Carr dazuzugehören.

Tim Patrick: WR, Baltimore Ravens

UFA von der University of Utah.
Ein weiterer Receiver auf meiner Liste ist Tim Patrick. Er hat mit den Ravens das perfekte Team erwischt. Denn dass Baltimore ein Problem auf der Receiver-Position hat, ist kein Geheimnis. Patrick ist ein Monster. Er ist 1,96m groß und wiegt fast 96kg. Dabei rockte er die Scouts mit einer 4,6 im 40-Yard Dash. Der Junge spielte am College immer mit breiter Brust und wusste sich gleich gegen mehrere Cornerbacks, die in Runde 1 und 2 weggegangen sind, zu behaupten (Adoree Jackson, Sidney Jones, Kevin King, Chidobe Awuzie). Sein einziges Problem ist seine lange Liste von Verletzungen. 17 Spiele verpasste er bei den Utes verletzungsbedingt. Er kam in drei Jahren nur 22 Partien zum Einsatz und fing dabei 61 Bälle für 888 Yards und 5 Touchdowns. Sollte er seine Pechsträhne hinter sich gelassen haben, können sich die Ravens auf einen Turm von einem Receiver freuen.

Cameron Hunt: OL, Denver Broncos

UFA von der University of Oregon.
So ziemlich jedes NFL Team hat sich bei den Undrafted Free Agents an der Offensive Line verstärkt. Und es gibt einige Kandidaten, die die Chance auf eine NFL-Karriere haben. Stellvertretend für die dicken Jungs habe ich mal Cameron Hunt herausgepickt. Oregon hatte diese Saison nach Jahren der Dominanz nicht viel zu lachen und brachte auch nicht viel Talent am Draft Day hervor. Doch Hunt könnte eine Ausnahme sein. Er absolvierte 52 Spiele in vier Jahren für die Ducks. Schon als Freshman startete er sieben Spiele. Insgesamt verpasste der Koloss nur ein College-Spiel. Die Broncos haben zwar Garrett Bolles gedraftet und zwei O-Liner in der Free Agency verpflichtet, doch die Tiefe an der O-Line ist dürftig. Eine echte Chance für Hunt.

Dylan Cole: LB, Houston Texans

UFA von der Missouri State University.
Hätte Dylan Cole für eine der großen Unis gespielt, wäre er kein Geheimtipp. Doch die Missouri State Bears spielen in der FCS (quasi der 2. College-Liga), spielen in einem nur 17.500 Zuschauer fassenden Stadion und haben seit sieben Jahre keine Winning Season mehr erlebt. Da tacklet man eben schnell mal unterm Radar. Cole hat Erfahrung in der 3-4 und der 4-3 Defense. Er lief bei seinem Pro Day 4,54 Sekunden auf 40 Yards und sprang 39 Inches beim Vertical. Wie gut er die Richtung ändern kann, stellte er mit 6,82 Sekunden beim Three-Cone-Drill unter Beweis. Einige seiner Werte wären bei der Scouting Combine Bestwerte unter den Linebackern gewesen. Cole erzielte in seiner Laufbahn 457 Tackles, inklusive 40,5 Tackles für Raumverlust. An einem Brian Cushing wird er sicher (noch) nicht vorbeikommen, doch seine Produktivität und sein Wille werden ihm einen Platz bei den Texans sichern.

Spätestens nach dem zweiten Cut im Trainingslager der NFL-Teams könnt ihr mich ja dann an die Wand nageln wegen meiner Vorhersagen. Ich bin’s gewohnt…

In diesem Sinne,
Euer Stolle

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