CenturyLink Field im Januar 2014, während der Halbzeitpause im NFC Championship Game zwischen den Seattle Seahawks und ihrem damaligen Erzrivalen, den San Francisco 49ers: Macklemore betritt die Bühne. Der Beginn von Dettis Trip zum Super Bowl 48.

Der Auftritt eines Hip Hop-Stars allein löst bei mir noch keine Wallungen aus – mein Interesse an diesem Musikstil war Anfang der 90er nach kurzen Affären mit Cypress Hill und House Of Pain umgehend wieder erloschen.

‚Can’t hold us‘ wird bei jedem Touchdown der Seahawks im eigenen Stadion durch die Boxen gejagt – und als der Lokalmatador (kommt gebürtig aus Seattle) seinen Auftritt mit der Ansage beendet hatte, dass an jenem Tag Sportgeschichte für diese Stadt geschrieben wird, ging’s los. Der Weg zum Super Bowl XLVIII in New York war steinig. Aber er war es wert.


Crunch Time. 23-17 für Seattle, 0:30 vor Ende, 1st and 10 an der 18 Yard-Linie der Seahawks. Was danach kam, fasse ich mal so zusammen: Kaepernick auf Crabtree, Sherman mit Glanzparade, Interception durch Malcolm Smith, das Stadion explodiert, Spielende.

Dann noch der Versuch eines Handshakes mit Crabtree durch Sherman, gekrönt vom legendären Interview des Letztgenannten auf FOX. Seitdem ist Richard Sherman bei allen Nicht-Seahawks-Fans so beliebt wie ein Pickel am Arsch – und wird in diesem Artikel nicht mehr erwähnt. Versprochen.


You only live once – The Road to the Super Bowl.

Eine Woche vergeht. Durch Zufall sehe ich auf einer Fanseite auf Facebook (Danke, Zuckerberg!) den Hinweis (der vornehmlich natürlich an Fans im Nordwesten der USA gerichtet war), dass es noch einige Tausend Karten für den Super Bowl am kommenden Sonntag in New York gäbe.

Gelesen, gegrübelt. Wobei, erstmal Ticketpreise checken. Das Ganze läuft über die offizielle Kartenbörse der NFL, Onlinetickets – somit war die Wahrscheinlichkeit, sich zur Übergabe mit dem Verkäufer 3 Stunden vor Kickoff auf einem Parkplatz in Queens treffen zu müssen, schon mal ausgeschlossen. Dann sehe ich einen Betrag, der mich überlegen lässt.

Na ja, erstmal Frau konsultieren. ‚Mach das, dann ist das Thema Seahawks-live-kucken auch erstmal erledigt.‘ Ich liebe meine Frau.

Na ja, was ist mit Hotels? Kosten sicher ein Vermögen. Moment, ich hab doch zwei Bekannte, die in New York leben. Auch schon lang nicht mehr gesehen. Die nehmen mich bestimmt auf. War ja alles noch vor Donald Trump und Gastfreundlichkeit in den USA noch groß geschrieben. Kurz die Jungs per Whatsapp angeschrieben – logo, komm vorbei!

Die Seahawks standen zu diesem Zeitpunkt seit ihrer Gründung 1976 zum zweiten Mal überhaupt im Super Bowl. Wer weiß, wann das mal wieder..? Man lebt nur einmal. Wenn ich’s nicht mache, werd ich’s bereuen und mich auf der Pflegestation im Seniorenheim täglich in den Schlaf weinen… Gut, Detti fliegt zum Super Bowl.

Wuschig wie Sau steige ich also am folgenden Samstag frühmorgens in den Flieger. Franz-Josef-Strauß-Airport nach Newark. An der Homeland Security vorbei – ‚Are you here for a tourist trip?‘ ‚I’m goin‘ to the Super Bowl, Mister.‘ Klingt super.

Dann in den Manhattan Shuttle bis zum Port Authority Bus Terminal, geschafft. Die nächsten Schritte: Tickets abholen und dann ab nach Brooklyn zum alten Schulfreund, meine erste Übernachtungsmöglichkeit.

Wie man tatsächlich an seine Karte kommt, war in der Informations-EMail der Kollegen von Ticketmaster übrigens nur recht kryptisch beschrieben. In einem Hotel Downtown Manhattan gäbe es eine Ausgabestelle, wo man bitte mitsamt seiner Bestätigung und Personalausweis aufkreuzen solle. In einem Hotel?

Aha. Ob ich mein Goldstück dann an der Rezeption, an der Bar oder doch auf einem Parkplatz entgegennehmen darf, war mir nicht ganz klar…

Aber gut, mit der Sporttasche und dem Stadtplan in die U-Bahn, wird schon klappen. Dort angekommen, bietet sich mir folgendes Bild: neben der Bar (tatsächlich!) war ein kleiner Stand aufgebaut, dahinter zwei betagte Damen und hunderte von Karteikärtchen, hinter denen sich die Tickets versteckten.

Endlich dran: ID geprüft, Karte ausgehändigt. Ich hätte die alte Frau gern in die Arme genommen. Abends ging ich dann noch gepflegt mit meinem Kumpel essen. Ein bayerisches Wirtshaus in Brooklyn. Amerikanische Mädels stehen auf Maßkrüge – hatte Klasse.

Der krönende Abschluss dieses langen Tages waren die ‚NFL Honors‘ zur Prime-Time. Peyton Manning ist der MVP der Saison 2013. Sollte erstmal sein letzter Titel bleiben.


GAMEDAY.

Eine kurze Nacht später schmeiße ich mich in Schale. Entgegen aller Befürchtung ist der erste Freiluft-Super Bowl in einer ‚kalten Region‘ eher ein milder Frühlingstag. Mutti hat gesagt, immer warm anziehen, daher finde ich meinen Skianzug auch nicht übertrieben.

Vom Battery Park geht es im NFL-Bus (gefüllt mit mehr orangenen Broncos-Fans als es mein sensibles Gemüt ertragen möchte) ohne Zwischenstopp Richtung New Jersey, wo ich mich etwa 5 Stunden vor Spielbeginn im Angesicht einer riesigen Betonschüssel wiederfinde: New Meadowlands Stadium.

Ganz neu ist mir der Anblick ja nicht – ein paar Jahre vorher hatte ich mir das Derby zwischen den Giants und den Eagles reingezogen. Punt Return zum Touchdown durch DeSean Jackson bei auslaufender Uhr, nachdem Philadelphia 8 Minuten vor Spielende noch 31:10 hinten lag. ‚Miracle at the New Meadowlands‘. Ein Spiel für die Ewigkeit. Unfassbar.

Heute, an diesem Sonntag im Februar 2014, werde ich meinen Augen wieder nicht trauen können… Wie man mehrere Stunden Wartezeit bis zu einem Kickoff sinnvoll überbrückt, ist bei Zweitligaspielen zwischen Heidenheim und Würzburg sicher eine berechtigte Frage – das Rahmenprogramm des Super Bowls lässt natürlich keine Wünsche offen.

Man geht von Bühne A zu Bühne B, dazwischen aufs Klo, dann noch zum großen Fanshop und allen anderen kleinen Merchandise-Buden auf dem Gelände, und schwupps: schnell noch Bier holen, gleich kommt die Hymne. Wer sie gesungen hat, hab ich vergessen. Beeindruckend war die Performance offensichtlich nicht.

Ich sitze wie erwartet tatsächlich knapp unter dem Dach. An meiner Seite hocken jeweils Vertreter einer lateinamerikanischen Fraktion – da mein Spanisch nicht mal für ne Bestellung in einer Tapas-Bar ausreicht, kann ich über die Herkunft des jungen Mannes links neben mir nur spekulieren.

Er trägt ein Broncos-Trikot und ist während des gesamten Spiels nicht sonderlich gesprächig. Zwischenzeitlich bin ich mir nicht sicher, ob er eingeschlafen ist.

Zu meiner Rechten allerdings leistet mir eine Lady aus Mexiko angenehme Gesellschaft. Liegt jetzt weniger an ihrem Aussehen, außerdem hätte sie meine Mutter sein können – aber ihr Seahawks-Trikot führt in Zusammenarbeit mit dem Spielverlauf dazu, dass wir in der Folge ständig gegenseitig ‚high fives‘ verteilen.

Da ihr Englisch so ausgeprägt ist wie meine Spanischkenntnisse, kann ich außer der Tatsache, dass sie und ihr Ehemann den Trip zum Super Bowl wohl über ein mexikanisches Reisebüro organisiert haben, keinerlei weiteren Informationen austauschen.

Die Mehrheit der restlichen Zuschauer hat offensichtlich ebenso jede Menge Spaß. Der 12th Man eskaliert bereits vor dem ersten Snap des Spiels und bringt den Center der Broncos dazu, den Snap etwa 3 Meter über Peyton Mannings Kopf in die eigene Endzone zu schaufeln.

Der Super Bowl startet also mit einem Safety – und ist schneller entschieden als ich kucken kann. 2 Field Goals durch Hauschka, ein Touchdown an der Goalline (!) durch Lynch, eine Interception durch Chancellor und eine durch Malcolm Smith (Touchdown). Halbzeitstand: 22-0. Bitte?????

Was in diesen ersten 30 Minuten passiert ist, hab ich bis heute nicht verkraftet.

Durchschnaufen. Bruno Mars. Wenn mir jemand erzählt hätte, mir würde dieser Mann einmal ein Lächeln aufs Gesicht zaubern… Lag vielleicht doch am Zwischenstand. Kickoff zweite Halbzeit. Percy Harvin. Touchdown. Bitte????

Spätestens jetzt ist klar, dass dieser Tag einer der besten meines Lebens sein wird. Wenn’s läuft, läuft’s. Und dass mit Percy ausgerechnet einer meiner Lieblingsspieler in der NFL (wie im Fantasy Football) dieses Spiel entscheidet, setzt dem Fass die Krone auf. Oder schlägt selbigem den Boden aus..? Ich war verwirrt. Und außer mir.

Vor lauter Abklatscherei mit Mexikanerinnen und ner Gruppe Jungs aus Seattle, die ihr Glück auch kaum fassen können, hätte ich fast noch die restlichen Highlights dieses denkwürdigen Spiels verpasst.

Jermaine Kearse und Doug Baldwin runden die Sache noch ab, MVP Peyton wirft wenigstens einen Pass in die Endzone auf Demaryius Thomas, Endergebnis: 43-8.

Bitte???? Der Rest des Abends lief dann wie folgt: Konfetti, Grinsen, Busfahrt (ohne einen einzigen Broncos-Fan), Grinsen.

Und Macklemore legt auf der anschließenden Party der Seahawks nochmal einen drauf. Mit Pete Carroll auf der Bühne.

‚Can’t hold us‘. Genau. Mich hielt nach diesem Tag auch nix mehr.

 

Foto-Quelle: privat

Video: YouTube

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