NFL Europe Brief

Liebe NFL Europe …

… in diesen Tagen jährt es sich zum zwölften Mal, dass du mit uns Schluss gemacht hast. Einfach so. Von heute auf morgen. Ohne Vorwarnung.

Du hast dich in Luft aufgelöst, dich holterdiepolter verdrückt. Auf Nimmerwiedersehen.

Ich möchte, dass du weißt, dass ich unserer gemeinsamen Zeit noch immer hinterhertrauere.

Dank dir wurde mein Interesse an American Football geweckt, meiner neuen Lieblingssportart. Dank dir bin ich ein riesiger Fan der NFL.

Du hast dafür gesorgt, dass ich neue, noch immer bestehende Freundschaften geschlossen habe, und heute ein Teil dieser einzigartigen Football-Community in Deutschland, Österreich und der Schweiz bin. Danke dafür!

Kennengelernt haben wir uns im Februar 2001. Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Ich hatte damals keine Ahnung von Football und der NFL.

Aber dann kamst du.

Ich war Sport-Reporter bei der Berliner Tageszeitung B.Z. Mein Chef teilte mich dazu ein, künftig über Berlin Thunder zu berichten, eines der sechs Teams aus der NFL Europe.

Meine erste Amtstat: Der Flug ins Trainingslager in Tampa/Florida. Und da stand ich nun. Ahnung von nichts. Aber du hast es mir leicht gemacht, für meinen neuen Job sofort zu brennen.

Ich war von dir vom ersten Moment an fasziniert. Noch heute erzähle ich vielen Menschen deine Geschichten im NFL Boulevard.

Das letzte Spiel

Unseren letzten gemeinsamen Tag hatten wir sechs Jahre später. Also vor (fast) genau zwölf Jahren.

Am 29. Juni 2007 hast du einfach dicht gemacht.

Du warst plötzlich weg.

Deine Bosse in den USA hatten keine Lust mehr auf deine Vorstellungen in Europa. Du hast ihnen zu wenig Geld verdient. Du warst ein Minus-Geschäft für sie. Daher zogen sie dir den Stecker.

Und das, obwohl nur sechs Tage vorher, am 23. Juni 2007, in Frankfurt das Saison-Finale der NFL Europe über die Bühne ging. So gigantisch gut wie nie zuvor.

48.125 Fans kamen an diesem Tag in die Commerzbank Arena. Das war Besucher-Rekord. Dein Zuschauerschnitt in dieser Spielzeit betrug erstmals über 20.000 pro Partie.

Auch das war eine Bestmarke.

Ich war vor zwölf Jahren dabei im Frankfurter Stadion. Als BILD-Reporter der Hamburg Sea Devils, die an diesem Abend mit 37:28 gegen Frankfurt Galaxy im „World Bowl“ triumphierten.

Es herrschte eine ausgelassene Atmosphäre. Eine Aufbruchstimmung.

Denn American Football schien sich endgültig in Europa etabliert zu haben.

Das Interesse an der Sportart und den sechs Teams der NFL Europe war deutschlandweit noch nie so hoch. Niemand hatte geahnt, dass dies das letzte NFLE-Spiel aller Zeiten gewesen ist. Und doch wurde dieser Entschluss nur sechs Tage später verkündet.

Aus heiterem Himmel. Zumindest zu diesem Zeitpunkt.

Klar gab’s immer mal wieder Gerüchte, dass die Europa-Liga aus wirtschaftlichen Gründen vorm Aus steht. Aber dann ausgerechnet nach einer Zuschauer-Rekordsaison hinzuschmeißen? Nein, dafür habe ich bis heute kein Verständnis.

Du hast einen Scherbenhaufen hinterlassen.

NFL Europe mit Frankfurt Galaxy, Berlin Thunder, Hamburg Sea Devils – das waren noch Zeiten…

Die NFL Europe entstand 1998 aus der „World League“. Mit ausschließlich europäischen Mannschaften: Die Barcelona Dragons, Frankfurt Galaxy, die London Monarchs, die Amsterdam Admirals, Düsseldorf Rhein Fire und die Scottish Claymores.

Die Monarchs wurden 1999 durch Berlin Thunder ersetzt. Aus den Dragons wurden 2004 die Cologne Centurions und aus den Claymores ab 2005 die Hamburg Sea Devils.

So bestand die Liga irgendwann nur noch aus fünf deutschen und einem niederländischen Team.

Die Saison lief immer von April bis Juni. Die Mannschaften waren hauptsächlich gespickt mit US-Talenten, die wenige Monate zuvor keine Rolle in der NFL spielten.

Also Profis, die zwar bei einem NFL-Team unter Vertrag standen, die aber dringend Spiel-Praxis und Erfahrung brauchten, um es eventuell doch noch in einen endgültigen NFL-Kader zu schaffen.

Und das ist über die Jahre auch einigen gelungen.

Kurt Warner: Der größte Star

Bestes Beispiel dafür ist Kurt Warner. Der Quarterback nutzte die NFL Europe als Sprungbrett für eine großartige NFL-Karriere.

Obwohl sein Traum, Profi-Footballer zu werden, bereits geplatzt schien, und er Supermarkt-Regale auffüllen musste, um Geld zu verdienen, nahm seine Karriere noch mal richtig Fahrt auf.

Die St. Louis Rams (heute: Los Angeles Rams) schickten ihn 1998 zu den Amsterdam Admirals in die NFL Europe, in der er sich zum besten Spielmacher der Liga entwickelte.

Nur wenig später wurde er auch bei den Rams zum Starting Quarterback und führte sein Team in der NFL-Saison 1999 zum Super-Bowl-Sieg gegen die Tennessee Titans (23:16).

Und 2008 erreichte er mit den Arizona Cardinals noch mal das Endspiel, das aber gegen die Pittsburgh Steelers verloren ging (23:27). Heute ist Warner Mitglied der „NFL Hall of Fame“.

Und es gibt weitere bekannte NFL-Stars, die einen „Umweg“ über die NFL Europe machten: James Harrison, Jake Delhomme, Brent Grimes, Adam Vinatieri, Jon Kitna, David Akers und Doug Pederson zum Beispiel.

Letzterer war 1995 als Quarterback für Rhein Fire aktiv und gewann in der Saison 2017 als Head Coach der Philadelphia Eagles den Super Bowl.

Erfolg made in Germany…

NFL Europe – komm‘ zurück

Lange Rede, kurzer Sinn. Ich will dich zurück, NFL Europe.

Ich will wieder deine Nähe spüren.

Nicht als Liga, mir reicht erst mal ein Tag, ein offizielles Saison-Spiel der NFL in Deutschland. So wie in London. Dort bist du doch auch regelmäßig zu Gast.

Football ist bei uns endlich wieder populär. Sogar noch beliebter als 2007.

Du brauchst also kein schlechtes Gewissen mehr wegen damals zu haben. Es wird höchste Zeit, dass du dich auch hier mal wieder blicken lässt. Zeit für ein NFL Deutschland Spiel.

Dann trinken wir ein paar Bier zusammen. Tschämm!

Herzliche Grüße, Dein Kucze

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