Die Würfel sind gefallen. Aus den Oakland Raiders werden die Las Vegas Raiders. Aus dem Black Hole wird Black Jack. Dies gab die NFL am Montagabend bekannt, als beim jährlichen Liga-Meeting eine überwältigende 31:1-Mehrheit für den Umzug der “Silver and Black“ stimmte. Aber ist das jetzt gut oder schlecht? Und für wen überhaupt?
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Seit zehn Jahren arbeite ich als externer Mitarbeiter für die Raiders und ich kann euch versichern, die Stimmung im Office war ebenso gespalten wie die der Öffentlichkeit. Schließlich sind die Raiders ein Team, dass auf Tradition und Einigkeit setzt. Auch in der Geschäftsstelle sind viele ehemalige Spieler tätig und ein Großteil der Kollegen arbeitet seit 15 oder mehr Jahren für das Team.
Dennoch waren sich alle – selbst die Fans in Oakland – in einem Punkt einig: Das derzeitige Stadion ist nicht länger tragbar. Es ist ein Schandfleck – für die Stadt und vor allem für die NFL. Es ist das einzige Stadion des Landes, in dem ein Football- und Baseballteam der NFL und MLB zusammen spielen (müssen). Es ist an vielen Stellen heruntergekommen und entspricht eben nicht mehr dem heutigen Standard. Und so kann man nüchtern betrachtet sagen: Just Business, Baby!
11. These: Vegas und die Raiders – das wird klappen
Nüchtern ist aber nicht unbedingt meine Sache (ich rede von Emotionen, nicht von Alkohol). Und daher wollte ich mal ein bisschen genauer hinschauen und euch sagen, warum der Umzug, der nicht vor 2019 von statten gehen wird, meiner Meinung nach eine gute Sache ist.
Umzug auf dem Wühltisch
Der Stadionbau soll nach neuesten Schätzungen 1,9 Milliarden Dollar kosten, vielleicht sogar 200 Millionen Dollar weniger. Davon zahlt die Stadt Las Vegas 750 Millionen Dollar. Sie schlägt nämlich pro Übernachtung auf dem Las Vegas Strip 1,50 Dollar pro Person auf. In Vegas zahlt man als Gast aber gern extra, daher fallen die lumpigen paar Kröten nicht auf. Direkt nach Bekanntgabe des genehmigten Umzugs packte Vegas nochmal 200 Millionen auf den Tisch. 650 Millionen kommen von der Bank of America, die nach dem plötzlichen Ausstieg von Casino-Mogul Sheldon Adelson und Goldmann Sachs in die Bresche gesprungen ist. Raiders Besitzer Mark Davis muss also wohl nur 200-400 Millionen Dollar fürs Stadion berappen. Dazu kommen noch etwa 400 Millionen Dollar Umzugskosten an die NFL. Ein Schnäppchen!
Maximal zehn Tage NFL-Zirkus
Vegas galt immer als ein schwieriger Markt. Deshalb hielten viele einen Umzug eines Profiteams nach Nevada für unwahrscheinlich. Doch nun sind es auf einmal schon zwei Teams, die sich in Vegas niederlassen: die Raiders ab 2019 (erstmal wohl im Stadion der UNLV) und die Golden Knights in der NHL ab kommendem Herbst. Beide kümmert es wenig, dass Vegas nur die Nummer 40 auf dem US-TV-Markt ist. Denn dank des Internets verliert der TV-Markt mehr und mehr an Wert. Jeder kann heutzutage an jedem Ort der Welt jedes Sportevent sehen.
Im Gegensatz zu den Golden Knights haben die Raiders aber einen weiteren Vorteil: Sie spielen nur sonntags oder montags und größtenteils tagsüber. Während die NHL auch an Freitagen oder Samstagen – und dann am liebsten abends – Spiele ansetzt und die Golden Knights sich an mindestens 41 Tagen mit dem Entertainment-Guru Vegas anlegen müssen, müssen die Raiders nur maximal zehn Tage im Jahr Fans an sich reißen. Zu acht regulären Saisonspielen und maximal zwei Playoff-Heimspielen (davon sollten sie aber möglichst oft welche haben, um das Publikum bei Laune zu halten). Die meisten Heimspiele werden um 13:25 Uhr Ortszeit angepfiffen werden. Da schläft die Glitzermetropole Vegas ja noch. Man kommt also den unzähligen Shows und den Glücksspielfans nicht in die Quere. Eine Win-Win-Situation.
Was kostet ein Flug L.A.-Vegas?
Raiders-Fans sind bekloppt. Das meine ich vollkommen positiv. Die reisen überall dorthin, wo ihr Team ist. Da sind auch 580 Meilen mit dem Auto kein Problem für den einen oder anderen aus dem Black Hole. Noch kürzer ist die Anreise für die vielen Raiders-Anhänger aus Los Angeles. In 3-4 Stunden sind sie in der Stadt der Sünde. Und wem Autofahren zu anstrengend ist, der kann fliegen. Ab L.A. oder Oakland kommt man für 100 Dollar hin und zurück. Glaubt mir, es wird genügend Raiders-Fans geben, die diesen Weg zu jedem Heimspiel auf sich nehmen. Und für alle anderen kommt der nächste Punkt in Frage.
Der Raiders Way: der andere Weg
Die Raiders waren immer eins: loyal zu ihren Fans. Wohl auch deshalb haben sie so viele auf aller Welt – obwohl das Team vor der letzten Saison einfach mal 14 Jahre grauenhaften Football gespielt hat. Das Team hat sich dank internationaler Spiele, Partnerschaften und Webseiten in bis zu sechs Sprachen (darunter deutsch) eine globale Fan-Base aufgebaut. Außerdem waren die Raiders ihrer Zeit immer einen Schritt voraus. Sie waren die ersten, die international tätig wurden, die ersten mit einer Website in der NFL. Nun sind sie die ersten, die den Schritt nach Vegas wagen. Würde mich nicht wundern, wenn sie sich für ihre treuen Fans in Oakland – und Los Angeles – spezielle Deals ausdenken, die ganze Heerscharen an Fans mit Bussen und Flugzeugen in die Wüste Nevadas und wieder zurückbringen würden.
Hangover lässt grüßen
Wir hier drüben in Deutschland, wir freuen uns wie Bolle, wenn wir mal das eine oder andere Spiel unseres Lieblingsteams live im Stadion sehen können. Wie sonst erklärt sich der nicht enden wollende London-Boom. Es ist halt nicht jedem vergönnt, mal eben in die USA zu seinem Team zu fliegen. Und wenn man es doch auf die Spitze treibt, dann gönnt man sich legendäre Arenen wie das Lambeau Field oder Jerryworld in Arlington. Selbst Amerikaner reisen nur in Ausnahmefällen zu Auswärtsspielen ihres Teams. Wer will schon nach Arizona oder Cleveland oder Buffalo fliegen? Aber Vegas?! Was gibt es Geileres als ein Wochenende mit den Buddies in der buntesten Stadt der Welt? Freitag hin. Zocken. Samstag den Rausch ausschlafen und abends zu Celine Dion. Und Sonntag zum Mittag zum Gastspiel des eigenen Teams gegen die Raiders. Und pünktlich zum Abendbrot ist man wieder daheim.
Alles ruhig in Oakland
— Derek Carr (@derekcarrqb) 27. März 2017
Erinnert ihr euch noch an den Tag, an dem die Chargers verkündeten, sie würden San Diego verlassen? Es gab unzählige Fanproteste. Fans haben ihre Trikots, Caps und Fahnen in aller Öffentlichkeit verbrannt und dem Teambesitzer Dean Spanos vorgeworfen, er wäre nie loyal der Stadt und den Fans gegenüber gewesen. In Oakland hingegen herrscht Ruhe. Ja, die Fans erleben bereits den zweiten Weggang ihrer geliebten Franchise (das gab es im US-Sport noch nie). Sie sind Kummer also gewöhnt. Entscheidender ist aber die Tatsache, dass die Fans wissen, dass es hier ums Stadion geht, nicht darum, dass man sich in Oakland nicht wohlfühlt. Die Davis-Familie ist Anfang der 80er nach Los Angeles gegangen, weil Oakland kein neues Stadion bauen wollte. Und nach der Rückkehr in die alte Heimat gab es unzählige Versprechen der Stadt, man würde ein neues Heim bauen. Ist nie geschehen, stattdessen gibt die Stadt lieber Geld aus für ein Baseball-Stadion eines Teams, dass zu den ärmsten der Liga gehört und nur mit viel Mühe, Schweiß und Glück mal zu den Titelanwärtern gehören wird. Erste echte Bemühungen um ein NFL-Stadion gab es erst, als die Uhr bereits fünf vor Zwölf anzeigte. Diese waren dann aber so dünn, dass die NFL sofort einen Riegel vorgeschoben hat. Was werden die treuen Raiders-Fans also machen? Sie werden ihr Team die kommenden zwei Jahren noch wilder und noch leidenschaftlicher anfeuern, in der Hoffnung, möglichst noch einen Titel nach Oakland holen zu können. Und ab 2019 wird es viele Reisegruppen nach Vegas geben. Da bin ich mir sicher…
Alles in allem bin ich mir sicher, dass der Umzug der Raiders nach Las Vegas klappen wird. Aber auch nur bei den Raiders. Das Image des Teams passt einfach zur Stadt. Nur eines sollten die Raiders nicht mehr tun in der Stadt, in der es unzählige Möglichkeiten des Entertainments gibt: verlieren. Denn Verlierer mag niemand in Las Vegas. Und so wird aus „Just Win, Baby“ wohl bald „Better Win, Baby“.
In diesem Sinne,
Euer Stolle