Was haben wir alle gelacht. Vor einer Woche habe ich euch an genau dieser Stelle die größten Flitzpiepen der NFL-Draft-Geschichte präsentiert. Männer, die durch dicke Bankkonten, dicke Bäuche, dünne Performances und jede Menge geistigen Bullshit aufgefallen sind. Viele von ihnen behaupteten, Quarterbacks zu sein. Diese Woche möchte ich euch beweisen, dass auch diese Medaille eine andere Seite hat.
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Denn es gab eben nicht nur die JaMarcus Russells, Ryan Leafs oder Johnny Manziels: Quarterbacks, die zwar gegen pickelige Pubertierende auf dicke Hose machen konnten, aber unter echten Männern aussahen wie weichgespülte Unterwäsche. Es gab eben auch die Tom Bradys dieser Welt: Quarterbacks, für die sich schon am College nicht einmal die Uni-Bibliothekarin interessiert hat – geschweige denn ein NFL Scout. Doch sie trotzten allen Unkenrufen, bestiegen den Mount Everest ohne Tiefschutz und Sauerstoffgerät und lebten ein langes und erfülltes Footballer-Leben.
17 years ago Tom Brady was selected 199th in the NFL Draft. A good reminder that you can’t measure grit, dedication, passion and hard work. pic.twitter.com/iCEcvBv4hy
— Steve Schlafman (@schlaf) 16. April 2017
14. These: Auch blinde Hühner werfen Eier
Im Lexikon ist neben dem Begriff „Draft Steal“ ein Foto von Brady zu sehen. Wahrscheinlich auch noch mit allen Super-Bowl-Ringen und seiner Mamacita. Aber der schmächtige Hans Wurst von der University of Michigan ist nicht der Einzige, der jeden Pass, den er wirft, mit einem Stinkefinger an die Scouts, Coaches und Besitzer von 31 Teams adressiert. Freut euch also auf die krassesten Quarterback Draft Steals der NFL-Historie.
Und an alle Cowboys-Fans da draußen: Bleibt ruhig. Dak Prescott findet hier nicht statt. Das ist aber kein Grund, gleich sauer zu werden und mich bei Jerry anzuschwärzen. Dak hat erst eine NFL-Saison gespielt. Geben wir ihm noch drei Jahre Zeit, dann wissen wir, ob er wirklich ne Granate ist.
Bart Starr: Lombardis langer Arm des Erfolgs
Pick No. 200, 1956 der Green Bay Packers.
Bart Starr ist der ultimative Draft Steal. Er war nicht nur kleiner (1,85m) und schmächtiger (88kg) als Brady, er war auch am College nicht gerade zu Ruhm gekommen. Starr brachte es in vier Jahren in Alabama auf gerade einmal 285 Passversuche. Seine beste Saison hatte er als Sophomore mit 870 Yards, 8 Touchdowns und 6 Picks. Als Junior spielte er verletzungsbedingt kaum und als Senior war er auch nur zweite Wahl. Er warf insgesamt 10 Touchdowns und 20 Interceptions. Dennoch schaute Vince Lombardi ganz genau hin und holte Starr nach Green Bay. Als 200. Pick in der 17. (!) Runde. Die Statistiken der NFL von damals sollte man außen vor lassen (das Passspiel war für viele noch immer nur Mittel zum Zweck). Starr warf in seinen besten Jahren gerade einmal 16 Touchdown-Pässe. Doch er war ein Winner. Fünf Meisterschaften holte er nach Green Bay, darunter auch die ersten beiden Super Bowls. Fünf Titel gewann sonst nur einer. Richtig. Brady.
P.S.: Remo mag jetzt wieder jaulen, die Zeit vor der Super-Bowl-Ära hätte nichts mit der NFL von heute zu tun. Dabei waren das noch die Jahre, in denen Blut auf dem Trikot zum guten Ton gehörte und „the team“ wichtiger war als ein beschissenes Instagram-Profil…
Brian Sipe: Der MVP, den keiner kennt
Pick No. 330, 1972 der Cleveland Browns.
Brain Sipe sagt wahrscheinlich nicht einmal den Die-Hard Browns-Fans etwas. Dabei hatten sie nicht viele Stars auf der Quarterback-Position. 1972 griff Cleveland in der 13. Runde zu. Es war der 330. Pick!!! Wenig überraschend verbrachte Sipe zwei Jahre im Practice Squad. Er hatte nicht den stärksten Arm und war kein großartiger Athlet, aber dafür war er ein Leader und warf zielgenau. 1980 führte er die Browns mit 30 Touchdowns zu einer 11:5-Bilanz und wurde zum MVP gekürt. Insgesamt spielte er zehn Jahre in Cleveland und anschließend noch zwei Jahre in der USFL.
Joe Montana: Mr. West Coast Offense
Pick No. 82, 1979 der San Francisco 49ers.
Nun kann man sich darüber streiten, ob ein Drittrunden-Pick als echter Steal herhält oder nicht. Aber Fakt ist, dass es im 1979er NFL Draft 81 Spieler gab, die vor Joe Montana gedraftet wurden. Und keiner hat auch nur annähernd das erreicht, was er erreicht hat. Eigentlich liest sich seine Story ähnlich wie die von Starr: Zu klein, zu dürre, mäßige College-Statistiken. Auch die NFL hat er nicht im Sturm erobert. Sein Stern ging 1980 auf. Und er leuchtet heute noch. Grund dafür sind die vier Super-Bowl-Ringe an seiner Hand.
Roger Staubach: Aus dem Krieg zu NFL-Ruhm
Pick No. 129, 1964 der Dallas Cowboys.
Die Geschichte hat es in sich. Als Roger Staubach 1965 die Uni verließ, hatten ihn die Dallas Cowboys bereits gedraftet – und zwar vor einem Jahr. Die NFL gab ihnen eine Sondererlaubnis, weil klar war, dass der Navy-Absolvent und Heisman Trophy Sieger von 1963 sich ohnehin für mehrere Jahre verpflichtet hatte und in den Vietnam-Krieg ziehen würde. Erst als 27-Jähriger absolvierte Staubach seine Rookie-Saison. Er schlug ein wie eine Bombe und führte Dallas zu fünf NFC Championship Games, hatte nie eine Losing Season und holte die ersten beiden Super-Bowl-Siege der Teamgeschichte.
Trent Green: Der lange Weg zum Glück
Pick No. 222, 1993 der San Diego Chargers.
Die Karriere von Trent Green hatte viele Höhen und Tiefen. Die Chargers, die ihn 1993 als 222. Spieler drafteten, ließen ihn nach nur einem Jahr ziehen. Niemand wollte den Ex-Quarterback der University of Indiana und so ging er nach Kanada. Doch bei den BC Lions kam er nur zwei Mal zum Einsatz und wurde erneut entlassen. Die Redskins hatten ein Einsehen und schenkten ihm Helm, Ball, Wasser und Brot. Seinen ersten Pass in der NFL warf er 1997. Seine erste Completion gar erst 1998. Am Ende des Jahres standen 3.441 Yards und 23 Touchdowns bei nur 11 Picks zu Buche. Also pokerte Green und ging nach St. Louis. Von da an ist die Story weltbekannt. Er verletzte sich in der Preseason schwer und musste mit ansehen, wie ein gewisser Kurt Warner die Rams zum Titel führte und sich zur Legende machte. Green startete in der nächsten Saison fünf Spiele für den verletzten Warner und wurde in der Offseason an die Chiefs verkauft. Dort verbrachte er sechs Jahre und schaffte es zwei Mal in den Pro Bowl. Seine Laufbahn endete mit Backup-Tätigkeiten in Miami und St. Louis.
Johnny Unitas: Ungewollt und unschlagbar
Pick No. 155, 1955 der Pittsburgh Steelers.
Es wird immer kurioser. Johnny Unitas war einer der dominantesten Quarterbacks seiner Zeit. Doch haben wollte den ehemaligen Louisville Spielmacher niemand. Die Pittsburgh Steelers erbarmten sich und nahmen ihn an 155. Stelle des 1955er Drafts an Bord. Und dann? Entließen sie ihn schon während des Trainingscamps. Unitas kam bei den Baltimore Colts unter. Dort spielte er schließlich 17 Jahre und führte das Team zu vier Meisterschaften (drei NFL-Titel und einen Super-Bowl-Titel). Vier Mal wurde „Johnny U“ zum MVP gewählt, zehn Mal spielte er im Pro Bowl. Und natürlich ist er in der Hall of Fame.
Matt Hasselbeck: Aus Favres Schatten getreten
Pick No. 187, 1998 der Green Bay Packers.
Als Matt Hasselbeck 1998 in der 6. Runde von den Packers gedraftet wurde, schenkte niemand dem Pick große Beachtung. Es war nur ein weiterer Quarterback, der in Green Bay hinter Brett Favre versauern würde (ihr glaubt gar nicht, wem es alles noch so ging. Darauf könnte ich ein andernmal eingehen). Nach einem Jahr Practice Squad und zwei Jahren Favre-Fan ging es via Trade nach Seattle. Dort wartete schon Ex-Packers Coach Mike Holmgren, der Hasselbeck zum Starter machte und gemeinsam erreichten sie den ersten Super Bowl der Teamgeschichte. Der Quarterback wurde immerhin drei Mal für den Pro Bowl nominiert und ließ seine Karriere schließlich in Tennessee und Indianapolis ausklingen.
Ihr seht, es lohnt sich für Scouts, Coaches und auch euch Fans, den ganzen Draft zu schauen und zu beobachten. Denn da finden sich immer wieder Rohdiamanten. Es gibt aber sogar noch Quarterbacks, die beim Draft völlig übergangen werden und es dennoch weit gebracht haben. Und genau die stelle ich euch nächste Woche, wenige Tage vorm NFL Draft vor.
In diesem Sinne,
Euer Stolle