Einmal ein Spiel der Cleveland Browns live genießen. Mit meinen eigenen Augen sehen. Sich von der Faszination anstecken lassen. Wer nicht dabei war, hat nicht gelebt. Okay, den Super Bowl XLVIII in New York mit den Seahawks im MetLife Stadium zu sehen, war so unfassbar, dass ich’s bis heute kaum begreifen kann. Aber im Vergleich zu meiner Stippvisite zur stolzesten Franchise der NFL? Pustekuchen. Pipifax.


London-Hounslow ist hässlich. Brutal. So viel Grün wie im Innenhof der Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Und mit ähnlichem Klientel. 4 Menschen, 6 Zähne. Insgesamt. Und dass der Vorplatz einer Kirche zum vormittäglichen Konsum von Betäubungsmitteln einlädt, war mir bis jetzt auch neu. Okay – leicht überspitzt, ich geb’s zu. Aber ne malerische Gegend sieht anders aus.

Einen Vorteil hat das Viertel: Hounslow liegt in der Einflugschneise und unmittelbarer Nähe zum Heathrow Airport (Fluglärm wird ja generell überschätzt) – und ist somit einen 20-minütigen Fußmarsch vom Twickenham Stadium entfernt. Also alles gut.

Nicht zu vergessen: Inmitten all der grauen Tristesse liegen doch tatsächlich direkt gegenüber unserem Hotel zwei wunderschöne Pubs. Die Burger in beiden Läden hatten als Geschmacksverstärker zwar hauptsächlich Bratenfett zu bieten – aber hey, man kann nicht alles haben.

Apropos Hotel: Geführt von einer reizenden polnischen Mittvierzigerin, erfüllte es alle Erwartungen, die man an ein Etablissement in der englischen Hauptstadt haben kann. Zimmergröße 2 qm, Bettbreite 50 cm – und eine Duschkabine, die man nur betreten kann, wenn man beherzt über die Kloschüssel steigt.

Zusammen mit meinem alten Schulkumpel Jan sowie Jens, dem grössten Browns-Fan südwestlich des Münchner Marienplatzes, beschließen wir den Tag der Anreise und träumen von DeShone Kizer. Also alles gerüstet für den GAMEDAY.


Gestärkt durch ein frisch zubereitetes Sandwich mit Huhn auf leichter Mayonnaise aus dem 24 Stunden-Supermarkt machen wir uns bei herrlichem Herbstwetter auf den Weg durch englische Parks, Vorgärten und eingezäunte Kinderspielplätze.

Am Twickenham Stadium angekommen, wird eines relativ schnell relativ deutlich: Man spricht deutsch. Bislang durfte ich die NFL zweimal in Wembley erleben (das letzte Mal ist aber auch schon einige Jahre her) – aber so viele deutsche Fans waren es damals definitiv nicht.

Gefühlt jeder zweite Besucher ist aus Bayern, Berlin, Baden-Württemberg oder NRW auf die Insel geflogen. Man fühlt sich also eher wie am St Patrick’s Day in nem Irish Pub in Köln-Mülheim als bei nem Heimspiel der Cleveland Browns.

Hier liegt aber auch das Grundproblem der NFL-Games in London: Von einer Atmosphäre, die einem Spiel des gastgebenden Teams in deren eigentlicher Heimstätte auch nur annähernd nahekommt, ist man sowohl in Wembley als auch in Twickenham meilenweit entfernt.

Klar kommt auch an diesem Sonntag gelegentlich richtig gute Stimmung auf – etwa als Isaiah Crowell, das personifizierte Mittelmaß auf zwei Beinen, das Spiel mit einem fulminanten 26-Yard Touchdown für die Browns beginnt. Die Menge tobt. Klar, es sind deutlich mehr Vikings-Fans anwesend als solche, die mit den Browns leiden – aber der neutrale Zuschauer (so wie meiner einer) schenkt seine Sympathie doch mehrheitlich dem Underdog.

Der Rest des Spiels ist schnell erzählt. Nach der überraschenden Führung und einer erstaunlich guten Performance der Browns-Defense in der ersten Halbzeit lief es nach dem Seitenwechsel wie gewohnt für die bemitleidenswerten Brownies. Außer einem Kickoff-Return für 71 Yards waren die Highlights für Cleveland erwartungsgemäß rar.

Und Rookie QB DeShone Kizer kann einem tatsächlich etwas leid tun, Freunde. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Deshaun Watson, der in Houston auf Leute wie DeAndre Hopkins oder Will Fuller zielen darf, muss Kizer auf Graupen wie Ricardo Louis, Bryce Treggs oder Sammie Coates werfen. Der arme Kerl.


Mein Fazit: England ist immer eine Reise wert. Logisch. Und mittlerweile ist London an NFL-Spieltagen fest in deutscher Hand. Allein diese Tatsache lässt die Wahrscheinlichkeit wachsen, dass früher oder später doch mal ein Spiel auf deutschem Boden ausgetragen wird. Roger Goodell sieht ja auch, in welchen Ländern die Tickets bestellt werden – und da sollten wir ganz oben mit dabei sein. Der Markt ist hier also sicherlich vergleichbar mit dem englischen.

Zudem ist im Gegensatz zu Großbritannien die NFL im Free TV zu sehen. Die Engländer müssen sich mit Bezahlfernsehen Sky und einer wöchentlichen NFL-Show mit Osi Umenyiora (gebürtiger Engländer und Super Bowl-Sieger) zufrieden geben. Die läuft allerdings samstags direkt im Anschluß an die Premier League Highlights auf BBC One. Okay, auch nicht schlecht…


Und zu den Browns: was willste sagen? Die Show vor Anpfiff mit schwarz-orange gekleideten Trommlern, drei (!) Maskottchen (zwei Typen im Faschingsköstum und eine Hündin namens Otto) und bisschen Pyroshow war fein – aber viel kam danach halt nicht mehr. Viel Lärm. Um Nichts.

Aber gut. Irgendwie muss man sie doch gern haben.

Die Cleveland Browns sind sowas wie der Randy Watson der NFL. Und deren Management ist Sexual Chocolate. Gute Show, cooles Outfit. Die Performance? Fabelhaft. Fabelhaft schlecht.

WHO LET THE DOGS OUT???

Es grüsst euch

Detti

 

Foto-Quellen: Privat

Video: YouTube

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