Das Leben eines Free Agents in der NFL ist vergleichbar mit der Warterei auf den Handwerker, der so zwischen 8 und 18 Uhr kommen soll. Als arbeitsloser Football-Profi geht es dir nicht anders. Vielleicht klingelt dein Telefon gleich am ersten Tag der Free Agency, vielleicht kurz vorm Draft. Aber unter Umständen wartest du bis kurz vor Beginn der Saison (also 17:55 Uhr) auf ein Angebot. Doch das Warten kann sich auszahlen.

Egal wie pissig ihr auf den Handwerker seid, wenn er tatsächlich erst kurz vor 18 Uhr klingelt. Wenn er seinen Job getan hat – den ihr ja ganz offensichtlich nicht selbst erledigen wolltet oder konntet – dann seid ihr schlussendlich doch happy, dass die Heizung nicht mehr leckt, der Kühlschrank wieder läuft oder das Klo nicht mehr verstopft ist.

NFL-Spielern geht es genauso. Fragt nur LeGarrette Blount: Sicher war der Mann, der sein Temperament bekanntermaßen nicht immer im Griff hat, nicht erfreut über die Tatsache, dass selbst zwei Lazarett-Dauergäste und ein Pummelchen mit Vorliebe für Cheeseburger lange vor ihm einen neuen Arbeitgeber gefunden haben. Doch am Ende hat er ein Team gefunden, dass seine Hilfe dringend benötigt (habe ich erst in meinem letzten Blog geschrieben gehabt). Denn um beim Thema Handwerker zu bleiben: Bei den Eagles steckte das Laufspiel im Klo fest.

19. These: Diese Spieler werden ihr Geld mehr als wert sein

Wie Blount geht es vielen Profis. Sie warten extrem lange auf ein Angebot – oder das richtige Angebot. Dabei gibt es noch immer ebenso viele starke Spieler auf dem freien Markt wie es Lücken und Schwachstellen bei den 32 NFL-Teams gibt.

Ich kann euch nicht sagen, warum sich die Mannschaften bei der Besetzung bestimmter Positionslücken so viel Zeit lassen, aber ich kann euch zumindest ein paar Spieler nennen, die in der kommenden Saison einem Team unheimlich weiterhelfen werden. Und weil ich euch so mag, nenne ich euch auch gleich noch den idealen Arbeitgeber dazu.

Gary Barnidge (TE)

Wie hart die Welt in der NFL sein kann, hat Gary Barnidge erst vor wenigen Wochen erfahren müssen. Er galt als solider Tight End in einer Offense, die kaum Playmaker hatte. Dann draften die Browns David Njoku in der 1. Runde und plötzlich ist Barnidge arbeitslos. Dabei fing er in den vergangenen beiden Jahren 134 Pässe für 1.655 Yards und 11 Touchdowns. 2015 wurde er sogar für den Pro Bowl nominiert. Nur fünf Tight Ends fingen in dieser Zeit Pässe für mehr Yards als Barnidge.

In einer perfekten Welt… wären die Jets der ideale Arbeitgeber für den Tight End. Ihnen fehlt jegliche Konstanz im Passspiel. Quarterback ist eine Schwachstelle. Receiver sowieso. Keiner weiß, was mit Eric Decker sein wird. Und auf Tight End sieht es noch düsterer aus. Rookie Jordan Leggett gilt als Faulpelz (sagt er auch selbst über sich) und Austin Seferien-Jenkins hatte nur fünf Starts in den letzten drei Jahren und verbringt mehr Zeit auf IR als im Training. In der Rolle des Notnagels hat Barnidge ja schon in Cleveland bestens funktioniert.

Colin Kaepernick (QB)

Es ist ein offenes Geheimnis: Die NFL hat Angst vor Colin Kaepernick. Es ist eine Schande, dass Typen, die beinahe einen Stammtisch im örtlichen Knast haben oder Vögel, für die der Begriff unterdurchschnittlich erfunden wurde, längst einen Job haben, Kaep aber nicht. Sicher bedarf es auch des richtigen Systems, um mit ihm arbeiten zu können. Doch wenn selbst Ryan Fitzpatrick, der Meister des Fehlwurfs, Geno „Mit meinem Vornamen sollte ich lieber Eis verkaufen statt Bälle werfen“ Smith und Blaine „Ich sehe aus wie Sunshine aus Remember The Titans“ Gabbert schon Arbeit gefunden haben, dann stimmt was ganz gewaltig nicht mit dieser Welt.

Kaepernick hat eine solide Saison gespielt. Er warf in elf Starts 16 Touchdowns bei nur 4 Picks. Hinzu kommen 468 Rushing Yards (aber auch 9 Fumbles). In seiner Karriere stand er 58 Mal als Starter auf dem Feld. Er ist also verdammt erfahren und sollte zumindest als Nummer zwei nen Job finden.

In einer perfekten Welt… würde Kaepernick bei genau dem Team unterschreiben, das zuletzt Interesse bekundet hat (als einziges): Seattle. Das System von Darrell Bevell sollte ihm ganz gut liegen. Und um sein volles Potenzial abrufen zu können, muss Kaep für ein Team spielen, das in erster Linie auf den Lauf setzt. Seattle hat zudem eine ungeklärte Personalie auf der Backup-Position. Trevone Boykin wurde verhaftet, nachdem er besoffen einen Unfall baute – zwar nur als Beifahrer, aber er nahm zusammen mit seiner Fahrerin den direkten Weg in eine Bar in Dallas – mit dem Auto mittenrein…

DeAndre Levy (OLB)

Als DeAndre Levy im Sommer 2015 einen neuen Vierjahresvertrag in Detroit unterschrieb, galt er als einer der besten Linebacker der Liga. Doch seither holte ihn das Verletzungspech ein und er konnte nur vier Spiele in den vergangenen beiden Jahren absolvieren. Da wird es als 30-Jähriger natürlich nicht einfach, einen Fürsprecher zu finden. Dennoch sollte ihm ein Team eine Chance auf ein Comeback geben. Schließlich sprechen 632 Tackles in 95 Spielen eine deutliche Sprache.

In einer perfekten Welt… kommt Levy als Outside Linebacker in einer 4-3 Defense unter. Ein Team, bei dem es an guten Linebackern mangelt, sind die Phladelphia Eagles. Und wie es der Zufall will, ist Jim Schwartz dort Defensive Coordinator. Von 2009-2013 war er Head Coach von Levy bei den Lions. Er draftete den Linebacker seiner Zeit. In Philly könnte Levy Mychal Kendricks (nur 28 Tackles in 15 Spielen letzte Saison) das Leben schwer machen.

Elvis Dumervil (OLB)

Elvis Dumervil zählt zu den gefürchtesten Quarterback-Jägern der NFL. Er kann sich getrost in einer Kategorie mit Dwight Freeney und Julius Peppers nennen. 99 Sacks erzielte er bislang in seiner Karriere. Doch 2016 lief es nicht mehr so rund für den Pass Rusher. In nur acht Partien kam er für die Ravens auf Grund von Verletzungen zum Einsatz und steuerte lediglich 3 Sacks bei – der niedrigste Wert seiner Karriere. Dennoch ist Dumervil jemand, der einem Team mit Pass-Rush-Sorgen weiterhelfen kann.

In einer perfekten Welt… würde Dumervil auf einer limitierten Snap-Basis spielen – ähnlich wie es Peppers in seiner Zeit in Green Bay getan hat. Und natürlich würde der mittlerweile 33-Jährige gern für ein Top-Team spielen. Da kommen einem viele Teams in den Kopf. Atlanta, Green Bay, Pittsburgh, natürlich New England (die stehen ja auf alternde Stars). Aber für mich ist New Orleans perfekt für Dumervil. Die Saints brauchen in der Defensive alle Hilfe, die sie bekommen können. Dumervil würde als Spieler und als Mentor eine wahre Verstärkung sein und würde zudem für zwei Coaches spielen, unter denen er einst in Denver seine besten Jahre hatte (Dennis Allen und Mike Nolan).

Nick Mangold (C)

Noch ein Ex-Jet auf dem Arbeitsmarkt: Nick Mangold gehört zu den besten Offensive Linemen der vergangenen zehn Jahre. Doch wie Revis und Brandon Marshall mussten sich die Jets aus finanziellen Gründen von ihrem Center trennen. 2016 hatte er erstmals in seiner Karriere Verletzungssorgen und fiel acht Spiele aus. Davor verpasste er aber lediglich vier Spiele in zehn Jahren.

In einer perfekten Welt… landet Nick Mangold in Los Angeles bei den Rams. Die haben drei Center unter Vertrag, aber keiner von ihnen ist ein Starter. Jake Eldrenkamp kam als Undrafted Free Agent. Austin Blythe wurde nach nur einer Saison in Indianapolis auf die Straße gesetzt und John Sullivan war zuletzt auch nur Backup in Washington. Mangold spielte in sieben Pro Bowls – zuletzt 2015. Ein Center mit seiner Routine kann Wunder wirken für einen jungen Quarterback wie Jared Goff.

Darrelle Revis (CB)

Durchatmen im Hause Darrelle Revis. Der Cornerback muss nicht mit rechtlichen Schritten wegen seines angeblichen Ausrasters gegenüber einem Fan vor wenigen Monaten rechnen. Diese Nachricht sollte dazu führen, dass das Telefon seines Agenten endlich klingelt. Denn auch wenn Revis Island vergangene Saison häufig unter Wasser stand, kann der siebenmalige Pro Bowler noch dem einen oder anderen Team helfen. Er muss sich aber damit abfinden, dass ihn niemand mehr als Starting CB einkaufen wird.

In einer perfekten Welt… geht es für den 31-Jährigen zurück nach New England, wo er schon 2014 spielte. Bill Belichick hat ein Händchen dafür, alternde Stars günstig einzukaufen und dann erfolgreich in seinem System einzusetzen. Aber egal ob New England oder anderswo: Revis wird wahrscheinlich zum Nickel Corner oder Free Safety umschulen müssen. Letzteres hat bei Charles Woodson ja Wunder bewirkt.

Anmerkung: Vielleicht setzt Revis aber einfach auch ein Jahr aus, wenn er nicht das Geld bekommt, was er sich vorstellt. Die Jets müssen ihm dieses Jahr 6 Millionen Dollar zahlen, sollte er daheim bleiben. Also für so viel Kohle würde ich auch ein Jahr nichts mehr für die Footballerei machen…

Austin Pasztor (G)

43 Starts in fünf Jahren und erst 26 Jahre alt – und trotzdem ist Austin Pasztor noch Free Agent. Er spielte die vergangenen beiden Jahre in Cleveland und davor drei Spielzeiten in Jacksonville. Der vielseitige Kanadier kam als Left Guard und Right Tackle zum Einsatz. Für die Browns startete er alle 16 Spiele in der vergangenen Saison.

In einer perfekten Welt… hätte Pasztor die Qual der Wahl zwischen den Giants, Bengals und Seahawks. Die Offensive Line in Cincinnati ist gestopft mit Fragezeichen. Right Tackle Jake Fisher ist seinem Status als First-Rounder nie gerecht geworden und Rückkehrer Andre Smith hat längst nicht mehr die alte Klasse. Auch New Yorks Right Tackle Bobby Hart gilt als Schwachstelle. In Seattle hat man zwar in der Free Agency und im Draft insgesamt dreimal zugeschlagen, doch vor allem auf Right Tackle gibt es ein großes Fragezeichen. Neuzugang Luke Joeckel wird wohl zum Guard umgeschult. Und das Team vertraut weiterhin George Fant als Left Tackle. Für Russell Wilson alles keine beruhigenden Nachrichten…

Perry Riley (LB)

Die Oakland Raiders Machen kein Geheimnis draus, dass sie eine Lücke in der Mitte ihrer Defensive haben. Letzte Saison kam Perry Riley daher und verpasste der Defensive einen ordentlichen Boost. In elf Starts erzielte er 48 Tackles für die Raiders und forcierte zwei Fumbles. Dass ihn die Raiders haben ziehen lassen, verwundert. Denn einen Ersatz haben sie bislang nicht gefunden.

In einer perfekten Welt… unterschreibt Riley am Ende doch bei den „Silver and Black“. Cory James ist jung (so wie die vielen Rookies auch), aber nicht sonderlich konstant. Riley ist der beste verbliebene Linebacker, warum also länger warten?

Anquan Boldin, Vincent Jackson, Victor Cruz (WR)

Keine Frage, alle drei hier aufgeführten Wide Receiver haben ihre glorreichen Tage längst hinter sich. Anquan Boldin ist knackige 37 Jahre alt (aber dennoch fit wie ein Turnschuh). Vincent Jackson steht ihm mit 34 Jahren in nichts nach. Und Victor Cruz ist zwar erst 30 Jahre alt, doch nach zwei Jahren Verletzungspause (und einem leisen Comeback 2016) wird auch er nicht mehr viele Teams hinterm Ofen vorlocken.

In einer perfekten Welt… werden alle drei noch ein paar Wochen auf ein Angebot warten müssen. Die größten Chancen hat sicherlich Cruz. Ihn sehe ich als sofortige Verstärkung in Baltimore. Die Ravens suchen händeringend Spieler, die wissen, wie man nen Ball fängt. Gespräche hatte er aber schon in Jacksonville und Chicago. Boldin und Jackson müssen hoffen, dass sich irgendwo jemand verletzt. Aber sicher sind beide noch in der Lage, einem Team mit dünner Receiver-Decke und/oder schwachem Quarterback eine Stütze zu sein. Die Jets könnten hier (mal wieder) ein Thema sein. Auch die Rams könnten Hilfe gebrauchen.

Gerald Hodges (LB)

Gerald Hodges war einer der wenigen Lichtblicke im sonst so trüben Team der 49ers. 2016 erzielte er bei zwölf Starts und 15 Einsätzen 80 Tackles (52 solo) für San Francisco. Zudem fing er zwei Interceptions und forcierte und eroberte einen Fumble. Es gibt eine Menge Teams mit Lücken auf der Linebacker-Position. Hodges könnte eine solide Antwort sein.

In einer perfekten Welt… kommt Hodges bei einem der vier Teams unter, die er bereits besucht haben soll. Er hatte Visits bei den New York Jets, Indianapolis Colts, New England Patriots und Jacksonville Jaguars. Meiner Meinung nach wird er zu den Colts gehen, bei denen Antonio Morrison und Sean Spence keine Spieler sind, vor denen die Konkurrenz zittert.

In diesem Sinne,
Euer Stolle

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