Stellt euch vor, ihr wollt euch einen Neuwagen kaufen. Aber nicht einen, den Mutti schick finden würde. Keinen, der nützlich ist oder umweltfreundlich. Nein, ihr wollt nen fetten Sportwagen. Mit Sound, Sportsitzen, mehr PS als ihr zählen könnt und natürlich in knallrot. Und dann setzt ihr euch rein – und das Ding hat kein Lenkrad. Genauso geht es einigen Teams in der NFL. Denn ohne Quarterback fährt man für gewöhnlich gegen die Wand.

Ja, Football ist ein Teamsport. Doch machen wir uns nichts vor: der Quarterback ist das Herz eines Teams. Er ist Dreh- und Angelpunkt des Offensivspiels. Für viele Sportexperten ist Quarterback die wichtigste Position im Sport überhaupt. Daher verwundert es nicht, dass sich jedes Jahr einige Teams beim Draft wie besoffene Hühner verhalten, aufgeregt im War Room umherflitzen und alle guten Manieren und Lehren ihrer Mentoren vergessen, nur wegen der Hoffnung auf den nächsten Franchise QB.

Und seien wir mal ehrlich: Bei 32 NFL-Teams gibt es höchstens eine Handvoll Spielmacher, die sich den Status „Elite“ wirklich verdient haben. Es kann sich also jeder glücklich schätzen, wenn er einen soliden Starter hat, der über Jahre performt. Dennoch gibt es jede Saison Teams, die auf eben dieser wichtigen Position völlig unterbesetzt sind. 2017 sind das sechs Mannschaften.

18. These: Selbst Broncos und Texans müssen um Playoffs bangen

Sechs Teams, deren Quarterback-Situation völlig offen ist. Sechs Teams, die quasi im Blindflug in die Spielzeit gehen, nicht wissend, ob sie auf dem Boden zerschellen oder doch noch die Kurve kriegen werden. Noch kurioser wird es, wenn man bedenkt, dass zwei dieser sechs Teams gefühlt nur einen vernünftigen Quarterback von einem Super-Bowl-Run entfernt sind.

Diese sechs kopflosen Teams sind die New York Jets, Denver Broncos, Houston Texans, San Francisco 49ers, Cleveland Browns und Chicago Bears. Ich sage euch, mit welchen Flitzpiepen und Hoffnungsträgern diese sechs ins Rennen gehen und wie duster es tatsächlich bei ihnen aussieht.

New York Jets: Drei faule Äpfel im “Big Apple”

QBs: Christian Hackenberg, Josh McCown, Bryce Petty
Spötter würden sagen, die Jets setzen schon jetzt alles daran, nächstes Frühjahr den First Overall Pick zu bekommen, damit sie sich einen der so vielversprechenden Quarterback-Talente der Klasse von 2018 sichern können. Denn mal ehrlich: Niemand in der NFL zittert, wenn er die Namen McCown, Petty und Hackenberg hört.
McCown ist zweifelsohne der erfahrenste QB im Team. Noch diesen Sommer wird er 38 Jahre alt. Doch trotz 15 Jahren NFL-Erfahrung brachte er es auf gerade einmal 60 Starts – von denen er nur magere 18 gewinnen konnte. Sein Karriere-Rating liegt bei 78,1. Immerhin hatte er seine besten Jahre in jüngerer Vergangenheit. 2013 warf er 13 Touchdowns bei nur einer Interception in Chicago, ehe er sich verletzte. Und 2015 kam er in Cleveland auf 12 TDs bei 4 INTs. Doch auch da verletzte er sich. Seit nunmehr zehn Jahren bestimmen Verletzungen sein Leben. Darunter waren ein Fußbruch, Knöchelbruch, mindestens eine Gehirnerschütterung, eine Schulterverletzung und viele kleinere Wehwehchen.
Hackenberg wurde im vergangenen Jahr in Runde 2 gedraftet. Doch trotz der unterirdischen Performances von Ryan Fitzpatrick und Geno Smith und den dürftigen Auftritten von Petty kam er nicht zum Einsatz. Mit Sicherheit wird Hackenberg diesen Sommer jede Chance bekommen, sich als Nummer eins zu etablieren. Denn die Jets müssen wissen, ob er die Antwort auf ihre Gebete ist. Petty konnte letzte Saison in drei Starts wenig überzeugen (3 TD/7 INT), doch auch er wird eine Chance erhalten, sollte Hackenberg versagen.

Fazit: Vieles deutet darauf hin, dass McCown den Stuhl für einen Rookie 2018 warmhalten soll. Problem ist nur, dass McCown mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später verletzt ausfallen wird. Die beiden Youngster werden ihre Chance bekommen, aber erwartet mit dem durchschnittlichen Laufspiel und den fehlenden Waffen im Passspiel keine Wunder.

Prognose: 2018 holen sich die Jets mit einem sicheren Pick unter den Top5 einen Quarterback im Draft.

Cleveland Browns: Egal wer spielt, Browns werden besser

QBs: Cody Kessler, Brock Osweiler, DeShone Kizer, Kevin Hogan
Eine überaus beeindruckende Offseason, in der die Browns ihre Offensive Line massiv verstärkt haben und sich im Draft mit jeder Menge Playmakern verbessert haben, bringt Hoffnung nach Cleveland. Und doch ist nicht klar, wer die wichtigste Position auf dem Feld bekleiden wird. Head Coach Hue Jackson hat Kessler zur Nummer eins erklärt. Das macht auch Sinn. Nach den Verletzungen von RG3 und McCown musste der Rookie ran. Er brachte in neun Einsätzen 65,6% seiner Pässe an. Natürlich gab es Licht (336Yds und 2 TD vs Titans) und Schatten (50% Compl. Percentage und 1INT vs Steelers). Doch das USC-Talent hatte sich schnell im Locker Room etabliert.
Hogan durfte ran, als auch Kessler verletzt ausfiel. Er kam in vier Spielen zu Kurzeinsätzen, wartet aber noch auf seinen ersten Touchdown-Pass und könnte am Ende aus dem Kader fliegen. Denn da ist ja noch Osweiler. Der Ungewollte. Die Browns behandeln ihn immer noch eher wie einen Gast, den keiner leiden kann. Sollten sie aber keinen Abnehmer für die einstige Hoffnung der Broncos und Texans finden, wäre er aber der erfahrenste QB der Browns. Immerhin 21 Starts hat er schon absolviert. Auch wenn wir uns alle mit Schrecken an seine Hirnfürze der vergangenen Saison erinnern, stehen insgesamt 13 Siege für ihn zu Buche mit 26 TDs bei 22 INTs.
Auf lange Sicht hätten die Browns aber nichts dagegen, wenn Kizer das Team führen würde. Der 2nd Round Draft Pick gilt als extrem talentiert, aber eben auch als inkonstant. Vor allem in den „Big Games“ hat er für Notre Dame letzte Saison enttäuscht.

Fazit: Die Browns sind Kesslers Team. Mich würde es aber nicht überraschen, wenn Osweiler bleibt und im Camp für ein richtiges Battle sorgt. Kizer ist noch mindestens ein Jahr von der NFL entfernt und die Browns wären gut beraten, ihn nicht einzusetzen.

Prognose: Die O-Line der Browns ist eine Wand. Das Verletzungspech der Vorsaison bei den Quarterbacks sollte Geschichte sein. Cleveland kann durchaus sechs Spiele gewinnen dieses Jahr. Irgendwas sagt mir, dass wir Osweiler öfter in nem Browns-Trikot sehen werden, als jeder vermutet.

Houston Texans: Alle wollen Watson

QBs: Tom Savage, Deshaun Watson, Brandon Weeden
Die Texans haben Haus und Hof verkauft, um Osweiler loszuwerden und dann noch Watson zu bekommen. Dieses Mal muss es einfach funktionieren mit dem Quarterback der Zukunft. Mehr Druck geht also nicht. Doch Watson hat am College bewiesen, dass er am besten spielt, wenn alle Augen auf ihn gerichtet sind. Ich gehe fest davon aus, dass er von Tag 1 des Trainingscamps um den Starter-Posten kämpfen wird.
Seien wir mal ehrlich, was Savage angeht: Er hat nicht gespielt, weil er sich letzte Saison im Training aufgedrängt hat, sondern weil Osweiler so unfassbar schlecht war. Savage sieht für mich aus wie ein klassischer NFL Backup. Ein Sean Hill oder Brooks Bollinger. Der kann 200 Jahre in der Liga bleiben und keiner merkt es.
Dritter Mann im Bunde ist Weeden. Der war selbst vor erst fünf Jahren ein First Round Pick (natürlich der Browns). Damals war er schon 29 Jahre alt. Es dauerte nur eine Saison und die Browns wussten, das war mal wieder nix. Es folgte ein Gastspiel als Backup von Tony Romo und nun ist er seit anderthalb Jahren in Houston. Vergangene Saison kam er nie zum Einsatz. Wenn sich keiner der beiden anderen verletzt, wird das so bleiben.

Fazit: Savage will sich die Butter nicht ohne Kampf vom Brot nehmen lassen, weiß aber um seine Rolle. Mit anderen Worten: Dieses Team gehört Watson.

Prognose: Die Texans haben eine der besten Defensive Lines der Liga und ein starkes Defensive Backfield. Das Laufspiel hat durch Rookie D’Onta Foreman noch mehr Tiefe bekommen und Will Fuller und DeAndre Hopkins sind zwei der talentiertesten jungen Receiver. Mit anderen Worten: Der QB in Houston hat bis auf eine starke O-Line jede Menge Playmaker um sich. Spätestens nach Woche 4 (Spiel vs Titans) steht Watson in der Startaufstellung. Dennoch sind die Playoffs dank mehr Konkurrenz in der eigenen Division in Gefahr.

Denver Broncos: Jugend forscht!

QBs: Trevor Siemian, Paxton Lynch, Chad Kelly
Nach dem unrühmlichen Abgang von Osweiler (seinem ersten) drafteten die Broncos Lynch. Doch sofort stellte GM John Elway klar, dass der Neuling in Ruhe aufgebaut werden solle. Dennoch kam Lynch als Rookie in drei Spielen zum Einsatz. Wirklich überzeugend waren die Auftritte gegen Tampa, Atlanta und Jacksonville aber nicht. Er soll aber mittlerweile ein anderer Typ sein. Er sei nicht mehr wie ein „Reh im Scheinwerferlicht“ sagte kürzlich WR Emmanuel Sanders.
Es wird ein heißes Battle im Camp mit Siemian erwartet. Von einem No-Name Late-Round Draft Pick 2015 avancierte dieser zum Starter 2016. Er brachte 59,5% seiner Pässe für 3.401 Yards mit 18 TDs und 10 INTs an. Alles in allem war das eine solide Saison für Siemian, der ohne funktionierendes Laufspiel agieren musste.
Das dicke Überraschungsei im Kader ist Kelly. Der Neffe von Jim Kelly fiel in seiner College-Karriere vor allem durch schwere Verletzungen und schwere Gesetzesbrüche auf. Er wird erst im Sommer wieder werfen können (Handverletzung), was den beiden anderen einen großen Vorteil verschafft. Mit Kelly ist dieses Jahr eh nicht zu rechnen, aber sollte er sein Talent mal konstant abrufen, könnte das eine interessante Option für die Zukunft sein.

Fazit: In Denver erwartet uns mit Sicherheit eines der erbittertsten Battles dieses Sommers. Denver hat viel in die Offensive Line investiert. Die Defensive ist ohnehin das Prunkstück des Teams. Und mit Jamaal Charles wurde eine weitere Angriffswaffe verpflichtet, die vor allem bei dritten Versuchen ein echter Rettungsanker für die jungen QBs sein kann.

Prognose: Denver wird mit Siemian in die Saison starten. Doch spätestens vor den wichtigen Divisionsduellen in LA und Kansas City im Oktober steht Lynch “under center”. Der Junge hat mehr Wumms und wird die Waffen, die man ihm zur Verfügung stellt, besser nutzen als Siemian. Mit Lynch spielt Denver um einen Wildcard-Spot.

Chicago Bears: Wer hat den Selbstzerstörungsknopf gedrückt?

QBs: Mike Glennon, Mitchell Trubisky, Mark Sanchez, Connor Shaw
Eigentlich sollte das hier nicht einmal ein Zweikampf sein. Eigentlich. Doch dann kam der Draft und die Bears machten sich das Leben (vorerst) selbst schwer. Glennon wurde für viel Geld aus Tampa geholt. 18 Millionen Dollar bekommt er garantiert – egal wie oft und wie lange er für Chicago spielt. Der Napoleon Dynamite der NFL machte als Rookie 2013 ganze 13 Starts und brachte dabei 59,4% seiner Pässe an (19 TDs/9 INTs). Unter neuer Führung wurde er 2014 aber zum Backup degradiert und der blieb er dann auch die letzten beiden Jahre hinter Jameis Winston. Bei den Bears sollte er nun endlich für Ruhe und Sicherheit auf der QB-Position sorgen.
Doch dank des Schockmoments des Drafts steht da nun Trubisky. Er ist die Zukunft des Teams. Problem ist nur: Glennon könnte nach einem Jahr dank einer Option gegangen werden. Doch um zu wissen, ob der Frischling auch bereit für die NFL ist, müsste man ihn einsetzen. Und dann gibt es da noch einen Head Coach in John Fox, der auf dem heißen Stuhl sitzt. Keine Frage: Es lastet viel Druck auf Trubisky, der gerade einmal eine einzige Saison Starter am College war.
Sanchez steht hier eigentlich nur, weil er ja auf dem Foto zu sehen ist… Der schöne Mark ist einer von vielen ehemaligen USC Quarterbacks, die eben nur unter der Sonne Kaliforniens funktioniert haben. Je nachdem, was die Bears im Schilde führen, wird er die #2 oder #3 sein. Shaw habe ich hier aufgeführt, weil ich den einfach echt mag. Der Junge ist ein echter Tough Guy. Ich würde ihm wünschen, dass er einen Roster Spot bekommt.

Fazit: Chicago findet auch dieses Jahr keine Ruhe auf der Quarterback-Position. Glennon sollte die Nummer eins sein, wird aber schon abgesägt, bevor er sich überhaupt beweisen darf. Da der sowas schon einmal erlebt hat, ist nicht davon auszugehen, dass er den braven Lehrmeister spielen wird.

Prognose: In dem Moment, in dem Trubisky am Draft Day das Posium betreten hat, war klar, dass die Saison 2017 in Chicago ein Albtraum werden würde. Mal wieder. Die wird mit einer Entlassung von Fox spätestens zum Saisonende enden. Bis dahin war Trubisky bereits auf dem Feld, versagte aber so sehr, dass zu Weihnachten wieder Glennon spielen durfte.

San Francisco 49ers: 2018 soll auch schön werden

QBs: Matt Barkley, C.J. Beathard, Brian Hoyer
Die Namen auf der Quarterback-Position der 49ers lesen sich wie ein Who is Who des „Willichnichtsehen“. Das wird den Ticketverkauf nicht gerade ankurbeln, aber es bleibt ja die Hoffnung auf einen hohen Draft Pick im nächsten Jahr.
Barkleys Zahlen in Chicago letzte Saison waren nicht besonders berauschend. Er gewann nur einen seiner sechs Starts, warf 8 Touchdowns und 14 Interceptions. Doch wer die Bears im Dezember beobachtet hat, der hat einen Quarterback gesehen, der sich auch für die Drecksarbeit nicht zu schade war, der gekämpft hat, der der Leader seines Teams war und der auch nach schwachen Würfen gute Entscheidungen getroffen hat. Dennoch muss man die Kirche im Dorf lassen: Barkley ist kein NFL Starter.
Das denken viele auch von Hoyer. Einst ungedraftet hat er es über Backup-Stationen bei den Patriots und Cardinals zum Starter in Cleveland geschafft. 16 Mal war er die Nummer 1 der Browns und warf dabei 17 TDs und 16 INTs. 2014 gewann er ganze sieben Spiele für Cleveland. Im Folgejahr probierte er es in Houston und kam dort sogar auf 19 TDs in elf Spielen. Zuletzt spielte er ebenfalls in.
Beathard erinnert mich an einen typischen Game Manager. Er wird niemanden mit seinen Fähigkeiten vom Hocker reißen, doch er macht einen soliden Job und hat eine Chance in der NFL verdient. Dennoch ist er ein typischer Backup.

Fazit: Hoyer hat bereits 2013 unter Kyle Shanahan gespielt und war in Chicago nicht ohne Grund vor Barkley auf der Depth Chart. Doch als Starter in San Francisco erwarten dich harte Zeiten.

Prognose: Niners-Fans, geht lieber an den Strand und surft ein wenig im Pazifik. Und nächstes Jahr draftet ihr dann nen Quarterback. Egal ob Hoyer oder Barkley, mehr als vier Siege sind nicht drin. Die Scouts der 49ers haben sich mit Sicherheit schon ein Apartment irgendwo in Los Angeles angemietet, um alle Heimspiele der USC (Sam Darnold) und UCLA (Josh Rosen) sehen zu können.

In diesem Sinne,
Euer Stolle

P.S.: Auf eine ganz andere Art und Weise spannend wird das Quarterback-Battle in Minnesota. Was nämlich passiert, wenn Teddy Bridgewater wieder fit wird? Die Vikings haben die Option auf sein fünftes Vertragsjahr nicht gezogen, doch wenn er lange genug verletzt ist, bekommt er quasi ein Jahr Vertrag „geschenkt“. Aber will man das überhaupt? Könnte hässlich werden im hohen Norden…

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